Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
selbst und zur Welt eine Beziehung aufzubauen, zu erleben und zu handeln. Ferner vermittelt, arrangiert und organisiert das Bewusstsein unseren Lebensalltag. Es kann sich im zeitlichen Verlauf wahrnehmen, darin Vergangenes erkennen und Zukünftiges entwerfen sowie über die Endlichkeit hinaus in Zeitlosigkeit eintauchen. Räumlich ist das Bewusstsein an keinen bestimmten Ort gebunden, da die Grenzen der Ausdehnung willkürlich und beweglich sind. Es besitzt die Fähigkeit zu nichtlokaler Präsenz. Bewusstsein ist somit innerhalb und jenseits der raumzeitlichen Ordnungslinien anzutreffen. Das Bewusstsein kommentiert, begleitet und unterstützt den Menschen auf seinem Lebensweg in den Welten, in denen er sich befindet. Es kann neue Qualitäten und Sinnzusammenhänge kreieren, die nicht durch das vorhandene Datenmaterial erklärbar sind. Aus diesem geheimnisvollen Zusammenspiel von Gehirn und Geist kann eine Art höherer Weisheit entspringen, die der Ursprung kreativer und schöpferischer Akte ist. Wie anders wären Erfindungen und kulturelle Errungenschaften zu erklären. Auch wenn die Emergenzen in den jeweiligen Gehirnen eine materielle Grundlage haben, sind sie dennoch transmateriell.
Das Bewusstsein kann sich auf unterschiedliche Seinszustände richten. Solche, die innerhalb, und solche, die außerhalb des Subjekts oder der Person erscheinen. Die Grenzen sind dabei durchlässig, variabel und zustandsbestimmt. Sie können sogar in gewissen Momenten wegfallen. Das Bewusstsein kann zu sich selbst eine Distanz einnehmen, sich von außen betrachten und sich in sich selbst vertiefen. Es kann sogar Inhalte vergegenwärtigen, die zunächst unzugänglich waren oder nicht identifiziert werden konnten, weil sie noch unbewusst sind. In erster Linie sind es natürlich verdrängte und vergessene Eindrücke der Seele. Es gehören aber auch Inhalte dazu, die außerhalb des momentanen Fokus der Aufmerksamkeit liegen, unterschwellige Wahrnehmungen oder automatisierte Abläufe.
Über das narrative Gedächtnis, das sich erst nach der Geburt entwickelt, wird die Biographie aufgebaut. Perzeptive, kognitive und emotionale Prozesse, die im Säuglingsalter oder in vorgeburtlichen Stadien ablaufen, fließen in die Entwicklung mit ein, sind jedoch erst einmal nicht direkt verfügbar.
Inhalte des emotionalen Gedächtnisses, die entscheidend an der Persönlichkeitsbildung mitwirken und die Fundamente des Charakters bilden, beeinflussen den Lebensstil stärker als kognitive Einsichten. Für die Wirksamkeit von Veränderungsstrategien erscheint es wichtig, diese vorwiegend unbewussten Vorgänge zu beleuchten. Dazu muss die vertraute Reichweite des Bewusstseins ausgedehnt werden, was nur gelingt, wenn die Kontrollmechanismen, die durch ungünstige Prägungen entstanden sind, gelockert werden. Dies hat den Effekt, dass man sich selbst und anderen gegenüber offener und akzeptierender wird. Deshalb muss jeder Psychotherapeut in seiner Ausbildung auch eine Eigentherapie durchlaufen. Erst wenn die Helfer sich und ihre dunklen Seiten kennengelernt haben, können sie die psychodynamischen Prozesse des Klienten erfassen. Wer selbst nie eine Krise bewältigt oder sich in Frage gestellt hat, kann nicht wirklich hilfreich andere begleiten.
Es können aber auch gravierende Lebensumstände, welche die willkürlichen Grenzen aufsprengen, ebenso zu spontanen Aufbrüchen führen, wie bewusstseinsverändernde Methoden und spirituelle Übungen tiefere Selbsterkenntnisse vorbereiten helfen.
Im beharrlichen Blick nach innen lernt der Mensch, seine Mitte zu finden und sich selbst zu verstehen. Dadurch wächst die innere Sicherheit, die es leichter macht, starre Selbst- und Weltbilder loszulassen. So öffnen sich neue Erfahrungs- und Handlungsräume. Wenn wir unserer selbst bewusst werden und bereit sind, Schranken zu öffnen, werden Transzendenzerfahrungen möglich. Durch sie erkennt der Mensch seine Bestimmung, seine Heimat und sein Wesen. Er bricht zu sich selbst durch. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine leidenschaftliche Suche nach dem Sinn des Lebens, denn nur eine starke Motivation kann die Schranken der Gewohnheiten überwinden helfen. Der stetige Weg nach innen kultiviert diese Transformationsprozesse, unterstützt tiefe Einsichten in das Wesen des Menschlichen und führt auch zu innerer Ruhe und Klarheit. Auch wenn die Innenschau hier hervorgehoben wird, ist zu beachten, dass sie einer Reihe von Einflüssen ausgesetzt ist, die ihre Ergebnisse
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