Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
keinen wirklichen Tod, nur einen ununterbrochenen Strom von Bewusstsein (nicht geboren und nicht gestorben). Ich merke auch, dass ich regelrecht hellhörig bin und Stimmen um mich herum recht genau wahrnehme. Meine Wahrnehmung ist deutlich verfeinert und mein Bewusstsein ausgebreitet. Ich denke: »Wissen die nicht, dass ich noch alles hören kann?« Mir wird bewusst, wie wichtig es ist, zum Todeszeitpunkt in einer schönen Umgebung zu sein, dass die Leute wenig und leise sprechen und sich bewusst sind, dass der Tote noch alles hört. Auch gute Düfte und Blumen sind sehr wichtig.
Ich bleibe für lange Zeit in diesem Zwischenzustand, einem ungebrochenen Bewusstseinsstrom, klar und hell, ohne Angst, mit der Gewissheit des Einzig-Seienden. Ich habe den Eindruck, mich nach und nach und sehr langsam weiter, tiefer in das ›Reich des Todes‹ hineinzubewegen, bis ich in einen tiefen Meditationszustand versinke. Mir fällt es schwer, am Ende der Atemsitzung zurückzukommen, es dauert eine ganze Weile. Mir ist bewusst, etwas ganz Wichtiges erfahren zu haben.«
Die Gebundenheit an die körperliche Manifestation löst sich in diesem Erlebnis, während eine Art bewusster Wesensnatur kontinuierlich weiterexistiert und Informationen identifizieren kann. Naturwissenschaftlich betrachtet beginnt das physische Leben mit der Zeugung und endet mit dem Tod. Der Mensch hat, von außen betrachtet, keinen zwingenden Einfluss auf die Tatsache seines Daseins. Dass Leben entsteht und wieder geht, liegt nicht in seiner Hand. Wir sind also von einer Wirkkraft abhängig, die uns im Alltagsbewusstsein unzugänglich bleibt. Dass wir existieren und sterben, kann somit nur hingenommen oder akzeptiert werden. Das Fundament unseres Daseins ist unergründlich an eine hervorbringende Dynamik gebunden. Befreiung im Leben kann demnach nur heißen, dieser vorauseilenden, tragenden und nachfolgenden Wirklichkeit zu vertrauen.
Für die erste Phase des Sterbeprozesses, wenn ich noch im Alltagsbewusstsein bin, bedeutet das für den Menschen, ja zu sagen zu dem, dass er nicht mehr sein wird, also einzuwilligen, bald nicht mehr zu existieren. Das ist die größte Herausforderung für den Selbsterhaltungstrieb. Wenn das gelingt, kann eine intensive Auseinandersetzung mit dem bisher gelebten Leben stattfinden. Integration, Versöhnung und Auseinandersetzung sowie das Erkennen von ungelebten Anteilen sind für den weiteren Prozess wichtig, bis durch die fortschreitende Loslösung und Depersonalisation dem Bewusstsein die Wachheit entgleitet. Das Leben findet im Sterben seine unentbehrliche Fortsetzung. Bevor der endgültige Tod eintritt, befinden wir uns im Kraftfeld einer verborgenen Wirklichkeit. Dort gelten nicht mehr die gewohnten Anschauungsformen, insofern ist es schon ein Jenseits, aber noch nicht ein Jenseits nach dem Tode. Im endgültigen Erlöschen der personalen Gebundenheit an den Körper, in der Vernichtung des physischen Daseins bricht die sichtbare personale Identität zusammen. Das Bewusstsein löst sich von den materiellen Bedingungen, wird freier und verschmilzt mit der universellen Wirkkraft zu einem subjektiven ätherischen Wesensfeld, das weiterexistiert und, für den weiteren Verlauf, die Regie übernimmt. Die Wahrnehmung, die unabhängig von den Sinnesorganen zu verlaufen scheint, ist direkter und klarer. Für den bekannten Grenzwissenschaftler Hans Bender kann man von einem Erkennen ausgehen, das die physiologischen Schranken überwindet. Telepathie, Hellsehen und Präkognitionen werden entsprechend auch als außersinnliche Wahrnehmungen bezeichnet. (Vgl. Bender in Resch, 1981)
Loslassen hilft, der Wirkkraft im Wesensfeld mehr Raum zu geben. Sie trägt und durchdringt uns. Alles, was ich besitze, habe oder kann, wird unbedeutend und freigegeben, wenn diese Seinsebene betreten wird. Der Tod kann also als ein Übergangszustand angesehen werden, zur Reinigung und Vorbereitung für andere Existenzformen und mögliche spätere Wiedergeburten. Deshalb ist es so wichtig, dass Fixierungen und Anhaftungen gelöst werden, um, geführt von dem Urlicht, sich im Wesensfeld zu beheimaten.
Diesem Prozess können wir uns schon im Leben annähern, wenn wir das Sterben als Transformationsmotiv in das Leben einbeziehen. Wenn wir akzeptieren, dass alles kommt und geht, nichts für sich alleine existiert, also leer ist von selbständigem Sein, können wir mit der Veränderung gehen und Vertrauen in den Prozess entwickeln. Eingebettet in verborgene
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