Vom Ego zum Selbst: Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes
transpersonalen Erfahrungsraum einer überwältigenden Liebe und Wertschätzung für das Leben begegnen. Auch wenn Nahtoderfahrungen einem empirischen Wissenschaftsverständnis nicht unbedingt standhalten können, ist mindestens ihr Nutzen für psychische Stabilität und geistiges Wachstum nicht zu unterschätzen.
Gelegentlich wurde durch überzogene Interpretationen ein Weiterleben nach dem Tode voreilig propagiert, was der Glaubwürdigkeit der Nahtodforschung eher geschadet hat, weil sie als naiv und bloß esoterisch abgestempelt wurde. Die eigentliche Bedeutung der Nahtoderfahrungen hat jedoch nie im Nachweis eines Lebens nach dem Tode bestanden, sondern in der Kraft, die sie haben, unser Leben zu verändern. Sie ermöglichen Einblicke in eine transzendente Wirklichkeit, die sich der exakten Datenanalyse entziehen. Das Argument, dass nie jemand die Schwelle des Todes überschritten hat und somit nichts über das »Jenseits« oder einem »Leben nach dem Tod« aussagen kann, ist natürlich anzuerkennen. Die medizinisch-biologische Situation ist für die Auslösung von Nahtoderfahrungen nicht unbedingt ausschlaggebend. Sie kann von intensiv erlebter Todesfurcht bis zu körperlich bedrohlichen Zuständen reichen. Die Betonung liegt also mehr auf einer psychospirituellen Ebene, auf der es zur Entgrenzung des Bewusstseins kommt. Paranormale Erfahrungen sprengen grundsätzlich den Rahmen einer szientistischen Logik, so dass man nicht umhinkommt, der Authentizität der Forscher und ihrer veröffentlichten Berichte grundsätzlich zu vertrauen. So gesehen haben wir es nicht mit Beweisen, sondern eher mit Hinweisen zu tun, die aber dennoch auf die Sterbehilfe einen innovativen Einfluss hatten.
Die in der Hirnforschung bekannte Tatsache, dass sich derartige Zustände, wie auch mystische Einheitserlebnisse in tiefer Meditation, jederzeit durch Reizung bestimmter Gehirnareale evozieren lassen, ist jedoch noch kein Beleg dafür, dass es sich um wahnhafte Vorstellungen handelt. Es beweist nur, dass intensive psychische und spirituelle Erscheinungen auch durch körperliche Interventionen ausgelöst werden können, wie natürlich auch umgekehrt. Das räumt auch Gerhard Roth, der bekannte Neurobiologe, ein, wenn er sagt:
»Letztlich bedeuten die genannten Befunde nur, dass es offenbar zur psychischen Ausstattung des Menschen gehört, unter bestimmten Bedingungen religiöse, spirituelle oder mystische Erlebnisse zu haben. Daraus folgt weder zwingend, dass solche Erlebnisse irgendeinen realen Bezug haben, noch folgt daraus zwingend, dass der Glaube an Gott oder an ein Jenseits reine Illusion ist.« (Roth, Gerhard, 2003, S.191)
So sind wir darauf verwiesen, einfach anzunehmen, was geschildert wird, unabhängig davon, wie real die inneren Erfahrungen sind. Damit laufen wir auch nicht Gefahr, sie zu ignorieren oder ideologisch zu überfrachten.
Für Kübler-Ross (vgl. 1990), die das Sterben mit dem Heraustreten eines Schmetterlings aus dem Kokon vergleicht, steht dabei immer inneres Wachstum im Vordergrund. Todeserfahrungen können als kollektive Wandlungssymbole, im Sinne eines Durchgangs zu einer Neugeburt, interpretiert werden. Gerade im Holotropen Atmen finden wir häufig Erlebnisse, in denen das Stirb und Werde in dieser Form zum Ausdruck kommt. Die eintretenden Visionen zeigen nicht nur die vielfältigen Reiche des Bewusstseins auf, sondern können für den Weg im Leben bedeutsames Material freigeben. Beispielhaft soll dafür eine Seminarteilnehmerin zu Wort kommen:
»Allmählich wandelt sich das Erleben, und das Gefühl und die Vorstellung tauchen in mir auf, sterbend zu sein. Ja, mein Körper fühlt sich an wie von einem Sterbenden bei vollem, klarem Bewusstsein. Vom Körper ist nicht mehr viel übrig, Kontraktionen überall. Ich stöhne, möchte meinen Körper endlich loswerden. Ich verstehe, warum Sterbende oft stöhnen – sie wollen ihren Körper endlich los sein. Mein Kopf biegt sich nach hinten, der Hinterkopf schiebt sich ganz stark in den Nacken. Dadurch wird es möglich, dass ein Energiestrom vom Kopf in die Wirbelsäule und weiter nach unten spürbar wird, so, wie wenn sich ein Energiekanal öffnen würde. Plötzlich spüre ich einen ›letzten‹ Schlag im Herzen (Extrasystole?), und ich weiß, dass ich jetzt gestorben bin. Mein Bewusstsein bleibt aber unverändert. Es steigt die Erkenntnis in mir auf, dass beim Sterben lediglich der Körper abfällt, das Bewusstsein aber ungebrochen bleibt. Es gibt daher
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