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Vom Ende einer Geschichte

Vom Ende einer Geschichte

Titel: Vom Ende einer Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes , Pößneck GGP Media GmbH
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Rüben als Zahlungsmittel verwendete. Zu »meiner Zeit« – auf die ich damals allerdings keinen Besitzanspruch erhob und heute schon gar nicht – lief das in der Regel so ab: Man lernte ein Mädchen kennen, sie gefiel einem, man versuchte sich bei ihr anzuwanzen, man lud sie zu ein paar gesellschaftlichen Ereignissen ein – in die Kneipe, zum Beispiel –, dann lud man sie allein ein, dann noch einmal, und nach einem Gutenachtkuss von unterschiedlicher Leidenschaftlichkeit war es irgendwie offiziell, dass man mit ihr »ging«. Erst wenn man sich halb öffentlich gebunden hatte, fand man heraus, welche Sexualpolitik sie betrieb. Und manchmal hieß das, ihr Körper wurde so streng gehütet wie eine Fischereisperrzone.
    Veronica unterschied sich nicht sonderlich von anderen Mädchen der damaligen Zeit. Sie hatten körperlich nichts gegen dich, hakten sich vor aller Augen bei dir ein, küssten dich, bis dir das Blut ins Gesicht stieg, und drückten sogar absichtlich ihre Brüste an dich, sofern etwa fünf Kleidungsschichten Fleisch von Fleisch trennten. Sie wussten genau, was sich in deiner Hose abspielte, ohne je davon zu sprechen. Und das war, für eine ganze Weile, alles. Einige Mädchen ließen mehr zu: Man hatte gehört, bei manchen komme es zu gegenseitiger Masturbation und bei anderen dürfe man »aufs Ganze gehen«, wie es damals hieß. Die Bedeutung dieses »Ganzen« konnte nur der recht ermessen, der lange genug auf halbem Wege hatte stehen bleiben müssen. Und wenn dann die Beziehung andauerte, gab es einen gewissen stillschweigenden Tauschhandel, der teils auf Launen beruhte, teils auf Versprechungen und Verbindlichkeiten – und der im, ummit dem Dichter zu sprechen, »Rangeln um einen Ring« gipfelte.
    Spätere Generationen mögen das alles auf Prüderie oder die Religion schieben. Doch die Mädchen – oder Frauen –, mit denen ich das hatte, was man als Infrasex bezeichnen könnte (ja, es war nicht nur Veronica), fühlten sich wohl mit ihrem Körper. Und, wenn man gewisse Kriterien anlegte, auch mit meinem. Damit will ich übrigens nicht sagen, Infrasex sei nicht aufregend gewesen oder, außer im offensichtlichen Sinn, frustrierend. Außerdem ließen diese Mädchen viel mehr zu als ihre Mütter früher, und ich bekam viel mehr als mein Vater seinerzeit. Wenigstens nahm ich das an. Und etwas war besser als nichts. Nur hatten sich Colin und Alex inzwischen Freundinnen zugelegt, die keinerlei Fischereisperrzonenpolitik betrieben – jedenfalls legten ihre Andeutungen das nahe. Andererseits sagte auch niemand die ganze Wahrheit, wenn es um Sex ging. Und in dieser Hinsicht hat sich nichts geändert.
    Ich war nicht gerade unberührt, falls du das wissen willst. Zwischen Schule und Universität hatte ich einige lehrreiche Episoden, die viel Aufregung mit sich brachten und wenig Spuren hinterließen. Darum berührte mich das, was später geschah, umso seltsamer: Je mehr man ein Mädchen mochte und je besser man zu ihr passte, desto geringer waren offenbar die Chancen auf Sex. Es sei denn, natürlich – und diesen Gedanken habe ich erst später in Worte gefasst –, es zog mich irgendwie zu Frauen hin, die Nein sagten. Aber kann es so einen perversen Instinkt geben?
    »Warum nicht?«, fragte man, wenn ein fester Griff der eigenen Hand Einhalt gebot.
    »Ich hab kein gutes Gefühl dabei.«

    Dieser Wortwechsel war vor manch einem fauchenden Gaskamin zu hören, kontrapunktisch von manch einem pfeifenden Wasserkessel begleitet. Und gegen »Gefühle« konnte man nicht argumentieren, weil Frauen auf dem Gebiet Experten waren, Männer ungehobelte Anfänger. Darum war »Ich hab kein gutes Gefühl dabei« weitaus überzeugender und unwiderlegbarer als jeder Verweis auf kirchliche Doktrin oder mütterlichen Rat. Du magst einwenden: Aber das waren doch die Sechzigerjahre? Ja, aber nur für einige Leute, nur in bestimmten Teilen des Landes.
    Mein Bücherregal fand bei Veronica mehr Anklang als die Schallplattensammlung. Zu jener Zeit kamen Taschenbücher in ihrem traditionellen Gewand daher: Belletristik in orangefarbenen Penguin-Bänden, Sachbücher in blauen Pelican-Ausgaben. Mehr Blau als Orange auf dem Regal bewies Ernsthaftigkeit. Und alles in allem besaß ich genug von den richtigen Titeln: Richard Hoggart, Steven Runciman, Huizinga, Eysenck, Empson … dazu noch Bischof John Robinsons Gott ist anders neben meinen Larry-Comics. Veronica nahm schmeichelhafterweise an, ich hätte das alles gelesen, und kam nicht auf

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