Vom Geist der Dorsai
suchen?“
„Das wird Ihnen alles in Ihrer Stadtverwaltung erklärt werden, gnä’ Frau“, erwiderte der Leutnant. „Es tut mir leid, aber ich bin nicht befugt, Ihnen Fragen zu beantworten.“
Er stieg mit ihnen zusammen in den Stabswagen und klopfte dem Fahrer kurz auf die Schulter. Sie fuhren in die Stadt, durch Straßen, in denen kein einziger Mensch zu sehen war, der nicht eine Uniform trug. Mit der Leere der Straßen ging eine eigenartige Stille einher. Am nördlichen Stadtrand, auf der sanft ansteigenden Wiese, die sie Jenna gegenüber erwähnt hatte, konnte Amanda wabenartige Hütten erkennen, Mannschaftsunterkünfte aus aufgeschäumtem und strukturstabilisiertem Kunststoff, die in säuberlichen Reihen aufgebaut worden waren – und von dort erklangen die einzigen Geräusche, fern, aber real, Stimmen und allgemeine Regsamkeit. Amanda spürte den vorwiegend aus südlicher Richtung wehenden Wind in ihrem Nacken und roch das diffuse Aroma des kalten Flusses, den herben Geruch der Abwässer, die er fortspülte. Im Manufakturat war alles ruhig.
Der Stabswagen erreichte die Stadtverwaltung. Der Pilot des Gravofliegers blieb im Vorzimmer zurück, doch Amanda wurde an Wächtern vorbei in das Büro geführt, in dem zuvor Piers gearbeitet hatte und das nun ihr zustand. Eine große Karte des Distrikts war dort an eine Wand projiziert worden; einige Offiziere, deren Dienstgrade vom Major bis hin zum Brigadegeneral reichten, standen davor und berieten sich in einer Art und Weise, die beinah einem Streit gleichkam. Nur eine Person im Zimmer trug zivile Kleidung – ein großer und schlanker Mann, der an Amandas Schreibtisch saß, im Sessel zurückgelehnt, und ganz offensichtlich in ein Studium der dargestellten Karte vertieft war.
Er wirkte auf seltsame Weise abgehoben von den anderen, durch Stellung oder Autorität isoliert. Er hatte sich ganz auf die Karte konzentriert und beachtete die Offiziere und ihre Unterredung nicht. Der Ausdruck in seinem Gesicht war nachdenklich, abstrakt. In ihrem langen Leben war Amanda nur wenigen Männern begegnet, die man zu Recht als attraktiv bezeichnen konnte – doch hier war dieses Attribut ganz gewiß angemessen. Die Züge dieses Mannes waren so regelmäßig, daß es an Widernatürlichkeit grenzte. Sein dunkles Haar wies nur an den Schläfen einen leichten Grauschimmer auf, und seine hohe Stirn wirkte wie ein Schatten über den tiefliegenden Augen, die so dunkel waren, daß ihr Blick von Natur aus undeutbar schien. Wären diese Augen und die Aura aus Macht nicht gewesen, die ihn wie der strahlende Glanz eines verborgenen Scheinwerfers einhüllte, hätte er vielleicht so anziehend auf Amanda gewirkt, daß sie sich ein falsches Bild von ihm gemacht hätte. Als sie ihn nun jedoch eingehend musterte, hatte sie kaum Zweifel an seiner Qualifikation – oder seiner Identität.
„Sir …“ setzte der Leutnant an, der Amanda hereingeführt hatte. Aber der Brigadegeneral, an dessen Adresse seine Bemerkung gerichtet war, sah kurz auf und unterbrach ihn, indem er sich direkt an Amanda wandte.
„Sie sind die Bürgermeisterin hier? Was haben Sie außerhalb der Stadt gemacht? Wo sind die ganzen Einwohner geblieben …?“
„General“, sagte Amanda langsam. Sie brauchte den Ärger in ihren Worten nicht zu heucheln. „Stellen Sie mir keine Fragen. Das steht mir zu. Wer sind Sie? Wie kommen Sie auf den Gedanken, einfach ohne Erlaubnis in mein Büro zu marschieren? Woher kommen Sie? Und was haben Sie hier zu suchen, bewaffnet, ohne jede Befugnis – weder von der Zentralverwaltung der Insel in Südkap noch von uns?“
„Ich glaube, Sie wissen sehr wohl …“ begann der General.
„Das glaube ich nicht“, sagte Amanda. „Ihre Anwesenheit hier ist illegal, und ich warte noch immer auf eine Erklärung – und eine Entschuldigung dafür, ohne Erlaubnis in mein Büro eingedrungen zu sein.“
Der Brigadegeneral preßte die Lippen aufeinander und kniff die Augen zusammen.
„Der Foralie-Distrikt ist von den Truppen der Allianz-Koalition besetzt worden“, sagte er. „Das ist alles, was Sie wissen müssen. Und nun würde ich Ihnen gern einige Fragen stellen …“
„Sie müssen mir schon eine weit stichhaltigere Begründung als diese geben“, warf Amanda ein. „Soweit ich weiß, haben weder die Allianz noch die Koalition, noch irgendwelche Truppen der Allianz-Koalition das Recht, sich diesem Planeten weiter als bis zum Parkorbit zu nähern. Ich möchte die Genehmigung sehen, die
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