Vom Geist der Dorsai
eigentlich kein Grund zur Sorge bestehen. Sie sind Söldner, und ein Söldner weiß, daß er sein Geld von den Zivilisten bekommt. Er wird sich hüten, Ärger zu verursachen, der seiner Berufsreputation schadet.“
„Über Ihre Männer mache ich mir keine Sorgen“, erwiderte ich. „Was mich beunruhigt, ist folgendes: Die Blaue Front könnte in unmittelbarer Nähe einiger Ihrer Leute Aufruhr provozieren und dann versuchen, ihnen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Es gibt nur eine Möglichkeit, dem vorzubeugen: Ihre Truppenangehörigen dürfen nur kleine Gruppen bilden, damit meine Polizeimitarbeiter die Zivilisten in ihrer Nähe im Auge behalten können.“
„Das erscheint mir sinnvoll“, sagte Kensie. Er lächelte auf mich herab. „Aber ich hoffe, Sie wollen Ihren Männern nicht die Anweisung geben, an jedem ihrer Urlaubsabende in der Stadt mit meinen Soldaten Händchen zu halten …“
Genau in diesem Augenblick kamen wir an dem ersten der großen Bürogebäude vorbei. Es verdeckte die Sonne des späten Vormittags, und ein Schatten fiel über den Wagen. Die hohen Wände um uns herum ließen Kensies letzte Worte als dumpfes Echo widerhallen. Direkt im Anschluß an diese Worte – eigentlich wurden sie sogar davon untermalt – ertönte ganz in unserer Nähe ein Geräusch, das mehrstimmigem Pfeifen glich. Und Kensie hörte auf zu sprechen und sank nach vorn, bis er gegen die Windschutzscheibe stieß.
Das nächste, an das ich mich erinnern kann, war, daß ich buchstäblich durch die Luft flog. Charley ap Morgan stürzte zur rechten Seite aus dem Wagen heraus, legte seine Hand einer Stahlklammer gleich um meinen Arm und zerrte mich mit sich, bis wir die Wand des Gebäudes rechts von uns erreicht hatten. Dort kauerten wir uns nieder. Charley hielt seine Paradewaffe in der Faust und sah an den Fenstern des gegenüberliegenden Gebäudes entlang. Auf der anderen Seite der schmalen Straße entdeckte ich Chu Van Moy, der ebenfalls seine Waffe in der Hand hatte, und den neben ihm hockenden Pel. Ich wollte nach meiner Dienstwaffe greifen, erinnerte mich dann aber, daß ich sie nicht dabei hatte.
Um uns herum herrschte völlige Stille. Es folgte keine weitere Garbe jener kleinen, winzigen Projektile, die aus einer oder mehreren Splittergeschoßschleudern abgefeuert worden waren. Mir wurde zum ersten Mal bewußt, daß die Straße leer und hinter den Fenstern uns gegenüber keine Bewegung zu erkennen war.
„Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen“, rief Pel von der anderen Seite der Straße. Seine Stimme klang angespannt und gepreßt. Sein starrer Blick klebte an der reglosen Gestalt Kensies, deren Oberkörper noch immer an der Windschutzscheibe lehnte.
„In ein Krankenhaus“, wiederholte er. Sein Gesicht war so blaß wie das eines Sterbenskranken.
Weder Charley noch Chu achteten auf seine Worte. Sie fuhren schweigend damit fort, die Fenster des ihnen jeweils gegenüberliegenden Gebäudes zu beobachten.
„In ein Krankenhaus!“ schrie Pel plötzlich.
Charley kam mit einem Satz auf die Beine und schob seine Waffe ins Halfter zurück. Chu auf der anderen Straßenseite erhob sich ebenfalls. Charley sah den anderen Dorsai an.
„Ja“, sagte er. „Wo ist das nächste Krankenhaus?“
Doch Pel saß bereits hinter den Kontrollen des Polizeiwagens. Wir anderen mußten uns beeilen – oder zurückbleiben. Er steuerte das Fahrzeug in Richtung der nur drei Minuten entfernten Rekonvaleszenzstation Blauvain-West.
Er raste wie ein Verrückter durch die Straßen und schaltete sowohl die Warnlichter als auch die Sirene ein. Heulend sauste der Wagen durch den dichter werdenden Verkehr, durch ein Konglomerat aus Lärm und leuchtenden Warn- und Hinweisschildern, und kam schließlich jenseits der Ambulanzzufahrt von Station West zum Stehen. Pel sprang sofort hinaus.
„Ich kümmere mich um ein Lebenserhaltungssystem … und einen Arzt!“ stieß er hervor und stürzte ins Gebäude hinein.
Ich stieg aus, gefolgt von Charley und Chu, die dabei etwas langsamer waren. Die beiden Dorsai standen sich zu beiden Seiten des Wagens gegenüber.
„Sorgen Sie für ein Zimmer“, sagte Charley. Chu nickte und folgte Pel durch den Eingang des Krankenhauses.
Charley wandte sich wieder dem Wagen zu. Behutsam nahm er Kensie in die Arme und hob ihn hoch, auf die Art und Weise, wie man mit einem schlafenden Kind umgeht, ganz vorsichtig. Er hielt Kensie in Höhe seiner Brust, so daß Kensies Kopf an Charleys linker Schulter ruhte. Dann
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