Vom Himmel das Helle
gesprochen hätte, wäre in ihrer Stimme unendliche Bosheit mitgeschwungen. Aber sie konnte nicht. Sie brachte nichts heraus. Keine einzige Silbe. Sie sprach nicht und sie aß nicht. Alles, was sie tat, war trinken. Wasser. Literweise Wasser. Als sei sie kurz davor auszutrocknen.
Als sie sich nach unendlich langer Zeit mit schroffer Willkür die Decke von den Beinen schob, sah sie an sich hinunter, wie von der Sicherheit einer Anhöhe auf ein ausgetrocknetes Flussbett. Ihre Beine lagen vor ihr, wie abgetrennt von ihren Empfindungen. Vermutlich hätte sie sich eine brennende Zigarette auf dem Oberschenkel ausdrücken können und hätte nichts gespürt. Genauso gleichgültig fühlte sich alles an. Fremd, weit entfernt. Der Körper träge, dahinsiechend, wie tot. Manchmal sah sie seltsamerweise dottergelbes Gedärm in ihrem Inneren. Es schwabbelte auf und ab, hin und her. Es war, als schaue sie sich einen Film an, der ihren Körper zum Thema hatte. Aber alles lag nur darin herum und passte nicht zueinander. Sie war außen vor. Sie lebte und lebte doch nicht.
Damit hatte sie nicht gerechnet und darauf war sie auch nicht vorbereitet gewesen. Das Erlebte machte sie fertig, verfolgte sie mit jedem Atemzug, jedem nicht gedachten Gedanken, in jeder Sekunde ihres verbliebenen Lebens.
Was hatte sie getan? Was hatte sie nur dazu bewogen, nicht in ihren Porsche zu steigen, um wie immer zum Sport zu fahren und ihren Körper zu stählen. Was hatte sie veranlasst, diese Entscheidung zu treffen, die zu einem Radikalschwenk in ihrem Leben führen sollte. Eine neue Regieanweisung. Eine, die nicht zu revidieren war.
Die Sonne, die von draußen durch die dünnen Vorhänge schien, die sich in ihr Gesicht presste und ihr den Schweiß aus den Poren trieb, war eine Verbündete für den Augenblick. Sie ließ die kleinen, klebrigen Tropfen unter den Mullbinden gewähren. Am liebsten hätte sie die Vorhänge von den Stangen gerissen und sich der gleißenden, sengenden Mittagssonne ausgesetzt. Auf dass sie ihr die Lippen zum Springen brächte, ihr Krater in den Leib stieße, nur durch Hitze, durch alles aufschmelzende Hitze. Sie verdiente jede Qual. Sie hatte den Teufel gerufen und er war gekommen.
Der Mann, der Friedrich kaltblütig getötet und ihr seine Fäuste und Füße ins Gesicht, in den Magen, in die Nieren und überall sonst hin gerammt, gebohrt und gestoßen hatte, befand sich noch in ihrem Haus. Vielleicht hielt er gerade jetzt sein Gesicht in die Sonne. Dieselbe Sonne, die sie sah. Glühend vor Glück, voller Vorfreude. Unversehrt, vor allem unversehrt. Die Tatwaffe nah bei sich. Bereit, jeden Moment hervorzukommen, wie die Ratte aus ihrem Loch, auf der Suche nach Abfall und Dreck.
Dreizehn
Als ich am nächsten Morgen aus dem Bett stieg und nur mit einem T-Shirt am Leib aus dem Fenster sah, brach die Sonne sich durch das letzte Stück Nacht einen Weg. Alles war in tiefes Rot getaucht. Nicht sanft und leise, sondern verheißungsvoll und laut. Der Himmel stand in Flammen. Es war ein Naturschauspiel, wie man es nur selten erlebte, und vor allem nur dann, wenn man früh genug aus dem Schlaf gerissen worden war. Ich spürte, wie Dankbarkeit in mir aufstieg. Dafür, dass ich diesem stillen Moment beiwohnen durfte. Ein Geschenk das nichts kostete.
Für diesen Augenblick am Fenster stand die Zeit still und ich hatte es viel zu spät bemerkt. Plötzlich wurde ich gewahr, dass alles in Ordnung war, obwohl sich seit gestern Abend nichts in meinem Leben geändert hatte. Ich spürte, dass mein Empfinden mit dem Stillstehen der Zeit zu tun hatte. Und dann fiel mir ein, dass man beim Blick in den Himmel immer nur die Vergangenheit sieht. Von manchen Sternen braucht das Licht bis zur Erde Millionen Jahre. Man sieht also einen Stern, wie er vor Millionen von Jahren, irgendwann, existierte. Vielleicht gab es ihn jetzt gar nicht mehr, obwohl man ihn wahrnahm. Eine verrückte Sache.
Ich begann damit, das Bettzeug auszulüften und jeder meiner Handgriffe wurde von einem Gedanken an Mark begleitet. Er hatte mir seine Liebe gestanden und war gleich darauf verschwunden. Ich war mit einem Liebesgeständnis dagestanden und hatte, wie es meine Art war, sofort begonnen, darüber nachzusinnen. Schließlich war ich zu dem Ergebnis gekommen, dass Mark von der Liebe im Allgemeinen sprach. Er liebte mich, wie Menschen sich liebten, wenn sie einander mochten. Nicht wie ein Mann gegenüber einer Frau empfand, die er begehrte. Ich verbot mir weitere
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