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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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einem wütenden gewichen. Er sah aus, als wolle er mich ins Gebet nehmen, denn er hielt nichts davon, übermäßig mit meinem Fachgebiet konfrontiert zu werden. »Der Herzschlag wird verlangsamt. Bremse und Gaspedal. Einleuchtend, oder?«, erklärte ich weiter. »Ich muss Almut Lohmann in einen Zustand der Entspannung versetzen. Einen Moment lang kein Adrenalin, sprich keine Fluchtreaktion im Sinn, sondern frei wie ein Vogel und bereit, sich mir zu öffnen. Aber da ist was in ihrem Blick und in ihren Gesten. Als müsse sie sich vor sich selbst schützen. Ich weiß nicht, woher es kommt, aber ich spür’s. Es ist Angst, aber nicht die Art von Angst, die ich gewöhnlich vermute«, ergänzte ich.
    Franks Finger standen mit einem Mal wie Taktstöcke in die Luft. Er sah mich verwirrt an. »Herrgottnochmal, ich versteh nicht mal ein Viertel von dem, was du sagst. Optimistisch geschätzt. Fahr zu Frau Lohmann und häng dich an sie ran. Wie du das anstellst, geht mich nichts an. Aber tu endlich was.«
    Ich rutschte von seinem Schreibtisch, zog mir den Rock zurecht, der viel zu hoch gerutscht war – ein Umstand, den Frank durchaus mit einem Blick quittierte –, schnappte meine Tasche und ging hinaus.
    Draußen spürte ich die Wärme im Nacken und auf meinen Schultern und das stimmte mich zuversichtlich. Ich würde einen Weg finden, mit Almut klarzukommen. Ein komplizierter Fall hatte mich früher auch nicht abgeschreckt. Eher sogar gereizt. Doch seit einiger Zeit gestalteten sich die Dinge schwieriger. Wie verrückt alles noch werden sollte, wusste ich nicht.

Vierzehn

    Während ich aus der Stadt hinausfuhr, die Häuser kleiner, seltener und die Bäume und Wiesen häufiger wurden, fiel mir plötzlich wieder ein, womit ich mich am Rande meines Studiums beschäftigt hatte. Eine ganze Weile hatte ich mit verwirrten Kindern gearbeitet, die nicht in der Lage waren zu sagen, was ihnen fehlte und ob ihnen etwas wehtat. Damals hatte ich nach anfänglicher Verzweiflung, weil nichts weiterging, eine magische Frage gestellt, die mir Tür und Tor öffnete. »Was fühlst du in deinem Herzen?« Mit diesem Satz war es mir gelungen, die Emotionen der kleinen Patienten anzuzapfen. Die Kinder hatten gespürt, dass sie sich öffnen durften und dass ich nicht schimpfen würde.
    Früher hatte Almut dazu tendiert, sich vorher zu überlegen, ob das Gefühl für einen Jungen das Aufbrezeln und all das lohnte. Zumindest in Fällen, in denen er mehr in sie verliebt war, als sie in ihn, was meist der Fall gewesen war. Das unterschied sie von den meisten anderen. Wir beratschlagten uns zwar wenn’s um Jungs ging, doch wir redeten mehr um des Redens willen, nicht um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Wir waren zu sehr von unseren Gefühlen überwältigt. Almut war anders. Sie plante und führte sauber aus. Wie zu erwarten, war sie auch heute eine vernunftbegabte Person. Sie neigte dazu, die Welt um sich herum fast ausschließlich über die Vermittlung ihres kognitiven Gehirns wahrzunehmen. Rational. Immer alles im Griff. Sie erinnerte mich an die Kinder von damals, an ihre verschlossene Art, ihre stumme Verzweiflung. Was wäre, wenn ich ihr die simple, zu Herzen gehende Frage stellte: Was fühlst du in deinem Herzen, Almut? Würde sie sich darauf einlassen und mir und auch sich selbst ihr wahres Wesen zeigen?
    Mit diesen Gedanken beschäftigt, parkte ich meinen Wagen vor der Auffahrt zur Villa, klingelte mehrmals hintereinander, weil ich es eilig hatte, zu Almut zu kommen, und wurde von Norma Thata eingelassen.
    »Frau Einsiedel?« Norma zog die Augenbrauen unnatürlich hoch. Ich sah ihr an, dass sie nicht mit mir gerechnet hatte. Heute nicht und auch an keinem der folgenden Tage. »Frau Lohmann hat nicht gesagt, dass Sie kommen«, meinte sie, verschämt zu Boden blickend. Sie wollte höflich sein mit unbestimmtem Ergebnis.
    »Ich komme unangemeldet, ich weiß. Und Sie müssen mich nicht anmelden. Ich kenne den Weg.«
    Ich hatte meine Stimme energisch klingen lassen, als ich an ihr vorbeigegangen war und nun hastete ich die Treppe hinauf. Auf dem Gang, der heute ein von der Sonne hell erleuchteter Tunnel war, blieb ich stehen.
    »Denk dran, Lea, Narben machen sich im emotionalen Gehirn bemerkbar, sobald die Wachsamkeit unseres kognitiven Gehirns und seine Kontrollfähigkeit nachlassen«, erinnerte ich mich an einen wichtigen Punkt meines Wissens. »Durch den Genuss von Alkohol, Drogen, wenn wir sehr müde oder von anderen Dingen abgelenkt sind,

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