Vom Himmel das Helle
lesen. Klingt lässig, nicht wahr, aber im Grunde kann es jeder. Man muss es lediglich trainieren und sich darauf einlassen.« Ich dachte sofort an Naturvölker, etwa die Aborigines. Die konnten sich durch Gedankenkräfte über viele hunderte Kilometer hinweg verständigen. Durch die Bündelung ihrer Gedankenkräfte. Die meisten Wissenschaftler, und nicht nur die, staunten darüber und wollten dieses Phänomen durch wissenschaftliche Experimente belegen. »Für jeden, der noch etwas vom ursprünglichen Leben in sich trägt und spüren kann, ist die Tatsache des Gedankenlesens vorstellbar«, behauptete Mark rundheraus. Ich schwieg, weil mich dieser erneute kleine Vortrag von ihm sprachlos machte. Doch nach einer Weile fiel mir wieder mein Zuständigkeitsbereich ein. Almut. Mein Rauswurf. Ich musste Mark um Hilfe bitten. »Es gibt Probleme, Mark. Ich komme nicht an Almut Lohmann heran«, gestand ich.
»Ihr Kopf ist eine Müllhalde«, erklärte Mark eindringlich. Ein passendes Bild ihres psychischen Zustands, fand ich.
»Wie kann ich die Müllhalde säubern, bevor sie zu stinken anfängt?«, hakte ich nach. Almut war kein normaler Fall für mich. Sie war die Freundin, die ich nie gehabt hatte, aber immer hatte haben wollen. Ich hatte furchtbare Angst, ich könnte an ihr scheitern und es könnte noch mehr geschehen. Wenn Mark mir schon wertvolle Hinweise gab, konnte ich ihn ruhig in die Pflicht nehmen, was Almut betraf. »Derjenige, der Almut Lohmanns Mann getötet und sie so übel zugerichtet hat, könnte das auch jemand anderem antun. Es gibt kein Motiv, es wurde nichts gestohlen. Der Fall ist rätselhafter, als ich anfangs dachte«, gab ich zu. »Außerdem liegt Almut mir sehr am Herzen. Ich kenne sie von früher«, fügte ich noch an.
»Derjenige, der das getan hat, wird nirgendwo sonst tätig werden. Aber etwas Anderes könnte geschehen. Jemand, an den du jetzt nicht denkst, ist in Gefahr. In Lebensgefahr, Lea.«
Ich spürte, wie sich ein beklemmendes Gefühl in mir breitmachte. Es nahm meinen Körper in Geiselhaft und ich konnte mich nicht dagegen wehren. »Was soll ich tun?«, fragte ich, eindringlicher als zuvor. Dann ging es mit mir durch. »Shit!«, fluchte ich laut. »Ich komm nicht an sie ran und du sagst kein Wort, Mark.«
»Du musst deine Schwingung, einfacher ausgedrückt, deine Energie, erhöhen. Wenn das passiert, wird Almuts niedrigere Schwingungsfrequenz dazu gezwungen werden, deiner höheren zu folgen.«
»Und wie mache ich das?« Mit einem Vorschlag, den ich noch nicht mal verstand, war mir nicht geholfen, ärgerte ich mich insgeheim.
»Lass die Angst weg«, verlangte Mark von mir. »Grandios«, entglitt es mir. »Wenn du mir jetzt noch sagst, wie ich das hinkriege, dann spricht nichts dagegen.« Der Vorschlag hatte zwar etwas für sich. Doch wie sollte ein gewöhnlicher Mensch wie ich es schaffen, ohne Angst durch die Tage zu kommen? Ich begann nervös an meiner Lippe zu nagen. Wie stellte Mark sich ein angstfreies Dasein überhaupt vor? Sogar minimale Ängste waren durch einen Besuch beim Psychologen nicht mal eben so loszuwerden. Angstbekämpfung war eine echte Herausforderung.
Mark spürte, dass ich mit mir haderte. »Fang klein an, Lea«, versuchte er mich zu motivieren. »Beginne mit der Angst, zu wenig Zeit fürs Leben zu haben. Danach nimmst du dir die Angst vor deinem Vater vor.« Für ihn schien alles ganz leicht zu sein. »Und wenn es dir damit etwas besser geht, stellst du dich der Angst vor Männern im Allgemeinen. Vor allem dem Zweifel, keinen mehr fürs Miteinander-Leben zu finden. Du brauchst dich nicht vor tiefer, alles umfassender Liebe zu fürchten. Auch vor mir nicht, Lea …!« Mark stockte. Ich fühlte, wie etwas um mich herum sich verstärkte oder verdichtete. Die Luft schien schwerer geworden zu sein. Was passierte gerade mit mir. Was ging hier vor?
»Ich habe keine Angst vor dir«, stellte ich trotzig fest, glaubte aber selbst nicht an das, was ich sagte.
»Doch, das hast du.« Marks Stimme blieb liebevoll, aber bestimmt.
»Ich spüre es und es tut mir weh, weil du mir nicht vertraust. Lass uns Freunde werden. Denn …« Mark zögerte erneut, fasste sich schließlich und sprach weiter. Was er sagte, haute mich um. »… denn ich liebe dich, Lea. Ich liebe dich seit dem Tag, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
Zwölf
Almut lag im Bett, den Blick starr gegen die Decke gerichtet, die ihr wie der Deckel einer Kiste vorkam, in der sie gefangen war. Wenn sie
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