Vom Himmel das Helle
Grübeleien zu dem Thema, legte das Bettzeug zurück aufs Bett und schloss energisch das Fenster, das ich geöffnet hatte. Dann ging ich in die Küche und während ich ging, gestand ich mir ein, dass es irgendwo in mir eine Lücke gab, was Marks Liebesgelöbnis anbelangte. Etwas sehnte sich danach, dass er seine Liebesworte so gemeint hatte, wie sie geklungen hatten: »Ich liebe dich, Lea! Und ich will mit dir zusammensein.«
Als ich die Butter aus dem Kühlschrank genommen hatte, damit sie später gut streichbar war und das Klo entern wollte, saß mein Vater bereits drauf. Seine blaugrün karierte Schlafanzughose hing ihm in den Kniekehlen wie Wäsche an der Leine; so saß er da, die Lippen wie Striche aufeinandergepresst und beschimpfte mich. »Anklopfen, Lea, keine schlechte Sache, meine ich!« Ich war entschlossen, meine gute Laune beizubehalten, ging stattdessen ins Bad, stellte mich unter die Dusche, drehte das Wasser auf und ließ meinen Urinstrahl dazu rinnen.
Als ich die Haare eingeschäumt und gewaschen hatte, mit Creme und Parfüm versorgt und angezogen war, ging ich erneut in die Küche. Dort erwartete mich ein ungewohnter Anblick. Ein Großteil der Arbeitsfläche war mit Kürbiskernölkapseln, Vitamin-B12-Präparaten, Vitamin-C-Brausetabletten und weiteren Kleinigkeiten ähnlicher Couleur verstellt. Vorhin, als ich lediglich die Kühlschranktür geöffnet hatte, war mir das nicht aufgefallen.
Mein Vater hatte das WC verlassen und streckte seinen Kopf flugs durch die Türöffnung, als habe er mitbekommen, was mir durch den Kopf ging: »Alles Vorsorge. Die Kürbiskernpräparate sind für meine Prostata. Ich muss inzwischen leider zwei-, dreimal nachts aufstehen. B12 ist für die Nerven und Vitamin C braucht wirklich jeder, Lea.«
»Aha«, presste ich nur heraus.
»Was hältst du von einem starken Earl Grey, einem getoasteten Dinkelbrot, Sauerrahmbutter und Light-Marmelade zum Frühstück?« Er freute sich offenbar aufs Essen. »Ah, wunderbar, die Butter hast du schon rausgestellt.« Papa deutete in die rechte Ecke, die ich noch gar nicht richtig wahrgenommen hatte. »Ich war im Reformhaus. Einkaufen. Wenn ich schon bei dir wohne, will ich mich auch erkenntlich zeigen.«
»Erkenntlich zeigen?« Im Inneren meines Mundes zog sich alles zusammen, als hätte ich gerade herzhaft in eine Zitrone gebissen, die ich irrtümlich für eine Orange gehalten hatte.
Das Gesicht meines Vaters verschwand wieder im Dunkeln hinter der Türöffnung. »Das Erkenntlich-Zeigen hört wohl bei der Zubereitung des Frühstücks auf«, rief ich ihm hinterher. Seltsamerweise konnte mich heute nichts aus der Ruhe bringen, zumindest nicht wirklich. Ich war so gut drauf, wie schon lange nicht mehr.
Als ich ins Revier kam, saß Frank mit hängenden Schultern in seinem Stuhl. Ich hatte Erbarmen mit diesem Häufchen Mensch in dunklem Leder vor schon lange nicht mehr geputzten Fensterscheiben, die die Welt draußen immer gleich wiedergaben.
»Ich hab mich gestern in Friedrich Lohmanns Firma umgesehen«, meinte er zur Begrüßung und straffte die Schultern.
»Eine ziemlich passable Werbeagentur«, räumte ich ein und schmiss meine Tasche auf den freien Sessel.
»Das ist nicht mal ’ne Untertreibung, Lea.« Frank kratzte sich ausgiebig die Stirn. »Almuts Mann war einer der Werber Deutschlands. Den hat man beauftragt, wenn man ein richtig großes Ding landen wollte. Wenn du einen Blick in die Bücher wirfst und den Jahresumsatz siehst, wirst du entweder rot oder frustriert. Such’s dir aus.«
»Dann nehme ich rot. Damit kann ich heute eine Menge anfangen«, gab ich freundlich zurück. Ich dachte kurz an den Sonnenaufgang und rot als Farbe der Liebe und hievte mich auf die Kante von Franks Schreibtisch. »Gibt’s sonst noch Neues? Was sagt die Gerichtsmedizin? Was sagt Platzker?«, hörte ich mich fragen, während ich mich zu Frank hinüberbeugte, um Bereitschaft zu signalisieren.
»Die Gerichtsmedizin hilft uns leider nicht weiter. Zwei saubere Schüsse in Friedrich Lohmanns Körper. Aber das wussten wir ja bereits. Und die Spurentechnik jubiliert, weil sie nichts zu tun hat. Zumindest nichts zu melden. Es gibt keine interessanten Fingerabdrücke in der Lohmann-Villa. Aber auch das erstaunt uns nicht wirklich.« Frank zog die Augenbrauen unnatürlich eng zusammen.
»Und Platzker!«, wollte ich noch wissen. »Platzker?«, Frank lachte kurz auf. »Dein Schuckiputzi glaubt noch immer, dass du auf ihn stehst. Schließlich hast du
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