Vom Himmel das Helle
siehst frustriert aus.«
»Du auch.«
»Da irrst du, mein liebes Kind. Wenn ich arbeite, bin ich nie frustriert. Und dass ich keine Schlagsahne für einen Kuchen hinbekomme, tangiert mich nun wirklich nicht.«
In der Küche sorgten zwei halbangebrochene Becher Sahne, ein verklumpter Quirl, etliche Brösel auf dem Boden und ein fast leer gegessenes Blech Himbeerkuchen für Unordnung.
»Genauso, wie du es liebst, Lea Einsiedel«, murmelte ich vor mich hin, nachdem ich in der Küche verschwunden war. Fest entschlossen, einem Kurzschluss im Gehirn entgegenzuwirken, nahm ich das Scheuermittel aus dem Schrank, griff nach Schwamm und Lappen und ging ans Werk. Sorgsam schrubbte ich die Arbeitsfläche und den Boden sauber, stellte die Sahne zurück in den Kühlschrank, weil sie draußen, in der Wärme, nur schlecht werden würde – etwas, das ich Papa unbedingt beibringen musste, wenn unsere Haushaltskosten nicht explodieren sollten –, und sorgte mit geübten Handgriffen für Ordnung in meinem Blickfeld. Als alles erledigt war, stand ich einen Moment da. Es gab nichts mehr für mich zu tun. Ich sah, wie draußen eine Biene den Kelch einer Blüte einnahm. Ein wunderbar entspannendes Bild, das man in der Stadt nicht alle Tage zu sehen bekam. Gegenüber brach sich eine andere Welt eine Schneise. Häuser, nichts als Häuser. Höhere, niedrigere, dazu Straßenlaternen, Verkehrsschilder, Asphalt, dahinhastende Menschen, Autos. Plötzlich ahnte ich, was mit mir geschehen war. Ich hatte Almut nicht meine ganze innere Aufmerksamkeit geschenkt. Ich war nicht so präsent gewesen, wie ich es hätte sein sollen, denn ich hatte ständig an die Almut von damals gedacht.
Außerdem waren mir die Probleme rund um das Zusammenleben mit meinem Vater und vor allem die Begegnungen mit Mark im Kopf herumgegangen. Und Almut? Was hatte ihr Gehirn derart gefangen genommen, dass sie die hilfreiche Hand einer Notfallpsychologin ausschlug? War ihr doch noch eingefallen, dass wir einander kannten und sie hatte es nur nicht eingestanden, weil ihr der Umstand unseres Wiedersehens unangenehm war? Weiteres Nachsinnen und Herumgrübeln würde nicht helfen. Es war an der Zeit, einen anderen Zugang zu den Dingen zu finden, wenn ich die Ermittlungen nicht behindern wollte. Einen, der meine Intuition auf den Plan rief.
Was sprach dagegen, mich eine Weile ins Schlafzimmer zurückzuziehen, meinem Vater den Wust im Wohnzimmer zu überlassen und mit Mark weiterzureden? Ich wrang den Schwamm ein letztes Mal aus und legte ihn unter die Spüle. Danach verließ ich die Küche, seltsam beruhigt, weil alles wieder an seinem Platz war, aber auch wegen meiner Idee, mit Mark zu reden.
Ich hatte mich lange nicht mehr tagsüber aufs Bett gelegt. Heute tat ich es, indem ich mir das Kissen bequem im Nacken zurechtschob und die Füße salopp übereinander schlug. Danach schloss ich die Augen, froh, einfach so dazuliegen. Doch anstatt ein inspirierendes und weiter aufklärendes Gespräch mit Mark in die Wege zu leiten, glitt ich in einen traumlosen Schlaf, der mich über zwei Stunden außer Gefecht setzte.
Als ich wieder aufwachte, standen die Zeiger meiner Uhr auf dem Nachttisch auf kurz nach sechs. Ich gähnte und ärgerte mich darüber, eingeschlafen zu sein und dadurch so viel Zeit verloren zu haben.
Zeit! Das war eines der Wörter und vor allem einer der Umstände, mit denen ich nie richtig klargekommen war. Ständig lief mir die Zeit davon. Frank und ich brauchten zu viel davon, um einen Fall aufzuklären. Zumindest behauptete das unser Vorgesetzter, Walter Platzker, wenn er sich einschaltete. Und meine ständig anwachsenden Falten im Gesicht machten mir jeden Morgen aufs Neue klar, dass nicht mehr allzu viel Zeit übrig blieb, um den richtigen Partner halbwegs ansehnlich in mein Leben zu ziehen. Verfluchte, verflixte, verhasste Zeit, ärgerte ich mich im Stillen, obwohl ich mich doch entspannen wollte.
»Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, dass Zeit keine Rolle spielt, wenn es den Tod nicht gibt. Zumindest keinen, der deine Seele, dein wirkliches Sein betrifft?«
Mark war da. Hatte er meinen Wunsch, noch einmal mit ihm zu sprechen, gespürt? Konnte er meine Gefühle orten und sich so in mich einfühlen? Auf die sensible Empfindung, dass er bei mir wäre, hatte ich die ganze Zeit hingefiebert. Doch ich kam nicht dazu, ihn das, was mir im Kopf herumspukte, zu fragen denn er sprach bereits weiter.
»Ja, du denkst richtig, Lea. Ich kann Gedanken
Weitere Kostenlose Bücher