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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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letzte Weihnachten, erinnere dich an unsere Feier, fünf mal mit ihm getanzt.« Frank grinste frech. »Oh nein!« Ich verdrehte die Augen, dass es wehtat. Wenn Walter Platzker lachte, entblößte er mit seiner oberen Zahnreihe auch sein rosa geschwollenes Zahnfleisch und die Ansätze mehrerer Kronen, die längst ausgetauscht gehörten. »Macht vorwärts, Leute. Wir brauchen Ergebnisse«, äffte mein Kollege Platzkers Stimme nach, einschließlich seiner Gesten, die er den Worten gewöhnlich folgen ließ.
    Frank konnte seinen Vorgesetzten derart originalgetreu nachahmen, dass ich üblicherweise nicht nur grinsen, sondern lauthals losprusten musste. »Na dann«, hob ich an und stieß die Luft aus meinen Lungen. »Ich würde sagen, wir sitzen ganz schön in der Scheiße.«
    »Kannst du laut sagen. Aber wir haben ja ein gutes Raumspray.« Frank holte ein Duftspray mit Rosenaroma aus der Lade seines Schreibtischs, drückte auf den weißen Knopf und sprühte es großflächig in den Raum. »So, jetzt riecht’s so schnell keiner mehr«, meinte er selbstzufrieden, während ich ein Hüsteln gerade noch hinunterschlucken konnte. Franks Büro strahlte heute Morgen eine seltsame Hintergrundspannung aus. Ich vermutete die Erregung rund um die ausbleibenden Ergebnisse als Grund. Frank hatte gut reden, denn ich war diejenige, von der jeder Ergebnisse erhoffte. Gute und vor allem schnell gelieferte. Egal ob Almut nun mit mir reden mochte oder nicht.
    Obwohl ich wirklich anderes zu tun hatte, dachte ich immer wieder an Mark. Vor allem daran, was er über das Phänomen der Angst gesagt hatte. Wenn ich die besiegen könnte, ginge mir alles leichter von der Hand. Ein Satz wie eine Granate. Andererseits wäre es einen Versuch wert.
    Doch die Kontrolle von Gefühlen durch das Denken ist ein zweischneidiges Schwert und eine seltsame Angelegenheit. Kommt sie zu oft zum Zug, verliert man womöglich die Fähigkeit, Hilferufe des emotionalen Gehirns wahrzunehmen. Die Folge davon ist, dass man Gefühle als nicht zulässig einstuft. Männer, die nicht weinen dürfen, weil sie Männer sind, so was kommt unter anderem dabei heraus, grübelte ich. Wenn man sich aufwühlende Bilder ansieht, verstümmelte Leichen etwa, reagiert das emotionale Gehirn sofort darauf. Mitgefühl flammt auf. Versucht man, die Gefühle unter Kontrolle zu halten, dann sieht man, wie die kortikalen Bereiche die Bilder ihres aktivierten Gehirns verdrängen und die Aktivitäten des emotionalen Gehirns blockieren. Es muss also einen anderen Weg geben, als den, die Angst durch das Denken zu besiegen. Dass das nicht möglich ist, hat man hinlänglich bewiesen. Sogar jahrelange Gesprächstherapie bringt oft genug nur Teilerfolge.
    Mein analytischer Gedankenstrom riss nicht ab. Natürlich, es gab den direkteren Weg über den Körper. Mit dreimal zwanzig Minuten Sport in der Woche hatte man hervorragende Ergebnisse erzielt, was die Behandlung von Angstgefühlen und Depressionen anbelangt. Bessere als durch das Verschreiben und Einnehmen von Antidepressiva. Mir wurde schlagartig bewusst, dass ich mich seit Jahren nicht mehr um Sport und den tatsächlichen Zustand meines Körpers kümmerte. Den nahm ich nur am Rande war. Er funktionierte, ich hatte Sex, tauschte mich aus. Alles im grünen Bereich. Doch vom Optimum war ich meilenweit entfernt. Vielleicht sollte ich es über diese Schiene versuchen? Ich musste mich wieder mehr bewegen.
    Als ich aus dem Fenster blickte, bemerkte ich, dass es draußen ungewöhnlich ruhig war. Wärme schon am frühen Morgen hatte offensichtlich die Wirkung einer Schlaftablette. Die wenigen Menschen, die unterwegs waren, schlenderten die Straßen entlang, als hätten sie Urlaub. Der Verkehr trödelte die zweispurigen Straßen entlang, gemächlich, völlig untypisch für die Stadt.
    »Wie willst du Almut Lohmann knacken, Lea? Ich versteh zwar nichts von deinem Psychokram, aber setz ihn endlich ein, damit ich hier nicht wie angeschossenes Wild verfaule«, bohrte Frank nach. Er stützte das Kinn auf die Hand und sah mich treu an.
    »Das autonome Nervensystem besteht aus zwei Strängen. Und die regen alle Körperorgane an, ausgehend vom emotionalen Gehirn. Der als ›Sympathikus‹ bezeichnete, setzt Adrenalin und Noradrenalin frei und steuert Kampf- und Fluchtreaktionen. Der Herzschlag wird beschleunigt. Der ›Parasympathikus‹ setzt einen anderen Neurotransmitter frei, der in Zusammenhang mit Entspannungszuständen wirksam wird.« Franks treuer Blick war

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