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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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Süße, das cremige Weichwerden des Kakaos und der Bourbonvanille auf der Zunge spürte, fühlte ich, wie mir wohler wurde. Mein Vater verkam plötzlich zu einem kleinen Gnom, der nicht mehr an mich heranreichte. Seine Worte flogen durch das geöffnete Küchenfenster hinaus, weit weg von mir.
    Ich hörte das leise Surren der Autos auf der Straße und ließ mich in den Stuhl fallen, der vor dem kleinen Tisch am Fenster stand. Da saß ich und zerschmolz Schokolade auf der Zunge und kaute und schluckte. Als die Schokolade bis auf den letzten Krümel aufgegessen war, ging ich ins Bad. Ich duschte ausgiebig, obwohl ich ursprünglich eine hastige Version ins Auge gefasst hatte. Aber dann war das Gefühl des Wassers, das meinen Körper traf, an ihm entlang- und hinunterglitt und ihn wieder verließ, unbeschreiblich erleichternd, und ich genoss es einfach. Ich fühlte mich, als würde alles, was in der vergangenen Nacht geschehen war, weggespült. Jede Sequenz der Angst, der Verstörtheit und der Aussichtslosigkeit. Schließlich trat ich aus der Dusche, schlang mir ein großes flauschiges Handtuch um den Körper und ging ins Wohnzimmer. Auf dem Weg dorthin drang plötzlich Marks Gesicht in mein Bewusstsein. Schließlich schoben sich die Antlitze von Almut und Bogdan vor sein Bild. Bogdan, wie ich ihn mir vorstellte. Ich sah davon ab, mich in einen Sessel fallen zu lassen und suchte mein Handy. Was tat ich nur? Ich aß seelenruhig Schokolade und duschte, obwohl ich dringend Frank anrufen musste.

Dreiunddreißig

    Als ich ihn am Apparat hatte, hörte ich die nächste greinende Stimme. »Halt dich fest, Lea. Carmen will heiraten«, vertraute er mir an.
    »Heiraten?« Ich war selbst überrascht. »Ich denke, sie ist bereits unter der Haube.«
    »Standesamtlich schon, kirchlich nicht. Sie und ihr Mann wollen sich in einer Bergkapelle im Salzkammergut das Ja-Wort geben«, schmollte Frank. »In aller Stille und Feierlichkeit. Danach Limousinentransfer nach Salzburg. Mittagessen im ›Goldenen Hirschen‹, Kaffee und Kuchen im ›Sacher‹. Das Ganze soll sich mit weißem Fetzen am Leib und Schleier vorm Gesicht abspielen. Ist das meschugge? Und viel zu spät dran sowieso.«
    »Das ist Carmens Sache, und natürlich die ihres Mannes, Frank.«
    »Aber wo bleib ich dabei? Darüber denkt kein Mensch nach«, jammerte mein Kollege weiter.
    »Da, wo du die ganze Zeit über warst. Zwischen ihren saftigen Schenkeln.«
    Ich hatte es geschafft, Frank kurzfristig zum Lachen zu bringen. Doch nach dieser kurzen Verschnaufpause hob er zu einer wichtigen Frage an. »Sei ehrlich, Lea. Glaubst du, dieser plötzliche Heirats-Schwachsinn hat was zu bedeuten?« Ich wusste, dass er es ernst meinte.
    »Klar, Carmen ist romantisch, und eine Kämpfernatur ist sie auch. Entweder sie will die Beziehung zu ihrem Mann festigen oder dich eifersüchtig machen und so endlich mal zu etwas bewegen.«
    »Himmelherrgott, wozu denn bewegen?« Ich ahnte, dass Frank mit seinen Augen rollte, als wolle er einen Rekord brechen. Zwei wild rotierende Kugeln im oberen Drittel seines kantigen Kopfes.
    »Verflixt noch mal. Sind wirklich alle Männer schwer von Begriff? Vielleicht will sie, dass du sie bittest, sich zu trennen und endlich zu dir zu stehen. So mit zusammen wohnen, nach außen miteinander auftreten und allem.« Ich konnte kaum fassen, wie naiv Frank war. Dabei versuchte er doch immer den starken Kerl zu mimen, der alles im Griff hatte. »Aber darüber wollte ich eigentlich nicht mit dir sprechen. Ich rufe an, weil es Neuigkeiten bezüglich Almut Lohmann und ›Dolly‹ Österreich gibt.«
    »Lass hören.« Frank schien zumindest halbherzig bei der Sache zu sein.
    »Almut hat Bogdan bei sich im Haus. In der Villa. Hundertprozentig«, schwor ich.
    Frank schnaufte laut ins Telefon. »Hat sie dir das bei einem Tässchen Tee verklickert? Wenn ja, rücken wir sofort an.« Es klang eine Spur genervt.
    »Natürlich nicht«, musste ich zugeben. Ich versuchte meine Stimme förmlich klingen zu lassen und sagte dann: »Ich weiß es eben.«
    »Du weißt es eben. Und wieso?«, entgegnete Frank selbstzufrieden.
    »Ich war die halbe Nacht in Almuts Haus. Sie hat sich im Keller verbarrikadiert. Weshalb sollte sie das tun, außer dort unten lebt jemand, den sie sehen möchte. Diesmal ist es eben nicht der Dachboden-Liebhaber wie bei Dolly, sondern der Keller-Toy-Boy.«
    »Leeeaaa!« Wenn Frank meinen Namen auf diese Weise in die Länge zog, war das immer ein schlechtes Zeichen.

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