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Vom Himmel das Helle

Vom Himmel das Helle

Titel: Vom Himmel das Helle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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Zuteilen von Schuld. Ich sah sein Gesicht vor mir und spürte seine Hände. Auf meinem Bauch, zwischen meinen Schenkeln, überall auf mir. War es wirklich erst wenige Stunden her, dass wir uns aneinander gewärmt hatten?
    Sollte mein Vater weiterhin ausschließlich sich und seine Belange sehen. Ich hatte einen Weg beschritten, der mich einer magischen Liebe näher brachte.
    Ich steuerte die Konditorei in der Nähe an, die schon früh geöffnet hatte, um mir ein Frühstück zu bestellen. Schon bald stand eine dampfende Tasse Kaffee vor mir und auf dem kleinen Teller lag ein frisches Croissant. Ich biss mit Appetit hinein und aß hungrig. Es schmeckte fantastisch. Als ich fertig war, zahlte ich, trat vor die Tür und sog die Luft des frühen Morgens ein. Um die Uhrzeit war noch nicht viel los. Ein paar Passanten, die an mir vorbeigingen und einige Autos, deren Fahrer in den Tag starteten. Es sah mir ganz danach aus, als wäre die Stadt an diesem Morgen neu erschaffen worden. Jungfräulich sozusagen. Das gefiel mir. Meine Lippen zitterten, weil ich spürte, wie glücklich ich war. Immer wenn ich an Mark dachte, fühlte es sich an, als legte ich mich mitten hinein ins Glück.

Vierzig

    Norma trug schwer an ihrem Tablett, das den plötzlichen Heißhunger ihrer Dienstgeberin widerspiegelte. Eier in Mayonnaise, Silberzwiebeln, gesalzene Kartoffeln in Olivenöl mit etwas Zitrone und Thymian, kalter Rinderbraten und eine große Kanne Earl Grey mit zwei Löffeln Zucker und einem Spritzer Sahne pro Tasse, das war ihr inzwischen geläufig. Was steckte nur hinter diesem unerwarteten Festschmaus? Norma stellte das Tablett ab und deckte den Tisch mit gestärkten, weißen Sets. Auf eines platzierte sie einen leeren Teller, auf ein zweites diverse Schüsseln und auf das letzte die Teekanne, aus der es würzig duftete. Fehlte nur noch die einzige verloren wirkende Tasse daneben. Norma zog die Rollläden hoch, die einen Schutzwall gegen das bisschen Sonne draußen gebildet hatten. Das Licht schlug ins Zimmer und flutete es aus wie ein Fußballstadion. Norma trat zur Seite, um sich weiteres Augenblinzeln zu ersparen. Sie wunderte sich nicht länger darüber, dass ihre Rolle als Pflegerin inzwischen in die einer Rundumbetreuerin ausuferte. Solange sie gut bezahlt wurde, war ihr alles recht. »Sie können gehen, nachdem Sie mir das Essen ins Wohnzimmer gestellt haben«, hatte Almut Lohmann ihr vor wenigen Minuten vom Bett aus zugerufen. »Kommen Sie denn allein zurecht, Madame?«, hatte Norma gefragt und sich über die angestrebte Selbstständigkeit gewundert. Almut Lohmann riss sich nicht gerade darum, sich um sich selbst zu kümmern. Weshalb sollte sie plötzlich den Tisch abräumen wollen, nachdem sie wie ein Vögelchen an ihrem Essen gepickt hatte? »Ich räume das Geschirr dann in den Geschirrspüler!«, hatte Almut vorgeschlagen, als preise sie neu erworbene Fähigkeiten an. Norma hatte genickt. Ein früher Feierabend war ein unerwartetes Geschenk. Sie hatte die letzten Tage kaum Zeit gefunden, zuhause etwas zu bewerkstelligen, schließlich war sie fast rund um die Uhr in der Villa gewesen. Dafür wurde sie bezahlt. Die Wäsche, das schmutzige Geschirr, die Essensreste, das alles wartete auf sie. Norma warf einen letzten Blick auf das Essen auf dem Tisch. Gott sei Dank konnte nichts kalt werden, höchstens der Tee. »Essen ist bereit, Madame!«, rief Norma nach oben. Stille, kein Laut. Sie schüttelte kurz den Kopf und ging mit bedächtig huschenden Schritten davon. Ein letztes Mal steuerte sie die Küche an, um das Tablett ordentlich gegen die Wand zu stellen, die hartnäckigen Wassertropfen aus dem Edelstahlbecken zu wischen und den Lappen gefaltet über die Armatur zu hängen. Dann ging Norma in den Flur. Während sie dort ihren Mantel anzog, hörte sie Schritte, nicht weit von sich entfernt. Endlich kam Frau Lohmann zu Tisch. Norma mochte es, wenn sie den Tee genoss, solange er heiß war. Alles andere wäre einer Verschwendung gleichgekommen. Und Verschwendung hatte keinen Platz in Normas Leben. Sie seufzte erleichtert und wandte ihr Gesicht, in Gedanken bereits im Auto und auf der Fahrt nach Hause, der Haustür zu.
    Doch sie zögerte und drehte sich im Zeitlupentempo für einen letzten Blick um. Der Stoff ihres Mantels raschelte leise dabei. Ihr gerade noch gewöhnlicher Blick erstarrte. Die Angst pochte ihr augenblicklich in den voluminösen Schenkeln. Sie rang ehrfürchtig nach Luft, doch der Atem, den sie zu schöpfen

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