Vom Himmel das Helle
dich derart in die Scheiße, das glaubst du gar nicht.«
»Ich halte keine Informationen zurück, zumindest keine, die dir helfen könnten.«
»Welche denn sonst? Gibt’s neuerdings etwa Infos, die mir nicht helfen?« Frank spuckte mir die Worte wie gischtschäumende Brecherwellen entgegen. Wir standen uns inzwischen wie zwei Boxer gegenüber, die zum entscheidenden Kampf angetreten waren. Einem, den jeder gewinnen musste, um sein Ansehen zu retten.
»Also gut!«, gab ich nach, weil ich spürte, dass ich sonst keinen Schlupfwinkel finden würde, durch den ich noch an die positive Auflösung des Falls rankäme. »Ich kommuniziere seit Neuem mit einem Toten, einem Geist. Der hat mir die Info gegeben, dass ich den Ball, den dieser Fall darstellt, nur mit seiner Hilfe und vor allem mit anderen Methoden als sonst ins Tor schießen kann.«
Frank spuckte ein Lachen aus, das ich noch nie an ihm gehört hatte. »Jetzt halt mal den Ball schön flach, Lea Einsiedel! Wenn wir schon bei diesem netten Beispiel mit Ball und Tor bleiben wollen.« Seine Zunge lugte eine winzige Spur aus seinen zusammengekniffenen Lippen hervor. Franks unfreiwilliges Markenzeichen. »Vergackeiern kann ich mich selbst. Gehen wir konstruktiv an das Ganze ran. Wie lauten die Informationen, die du mir lieber verschweigen willst?«
»Ich spreche seit einiger Zeit mit einem Geist. Sein Name ist Mark«, wiederholte ich.
»Leeeaaaa!« Frank schüttelte den Kopf derart seltsam, dass es aussah, als wäre er nur mit wenigen Umdrehungen auf seinen Körper geschraubt worden und könnte jeden Moment hinunterkullern. »Weshalb bist du plötzlich unkooperativ? Hab ich dir was getan? Bist du wütend wegen deines Vaters, dem ich zuletzt die Meinung gegeigt hab?«
»Ich bin weder unkooperativ, Frank, noch wütend wegen meines Vaters. Du verstehst nur nicht, was ich sage. Aber das hab ich sowieso befürchtet.« Ich sah ihn milde an, legte meine Hand auf seine Schulter und spürte, wie er leise rhythmisch zitterte. »Ich will nur unser Bestes. Aber mir ist auch klar, dass alles, was ich dir gerade anvertraut hab, irrwitzig und meschugge klingt. Deshalb ist es aber nicht weniger wahr.« Ich holte kurz Luft, hob Franks Kopf mit einer kurzen Bewegung hoch und sah ihm eindringlich in die Augen. »Wir beide sind daran gewöhnt zu glauben, was wir sehen, was wir fühlen und was uns durch die Gesellschaft immer wieder bestätigt wird. Aber, glaub mir oder lass es bleiben, ganz wie du willst, es gibt noch etwas anderes. Dinge, die wir uns nie träumen lassen würden. Die schräger als jeder Science-Fiction-Film sind.«
»Lea?«, versuchte Frank mich zu unterbrechen. Doch ich beruhigte ihn mit einem leise zischenden Ton. »Schhhh.« Er schüttelte im Sekundentakt den Kopf und ich sprach weiter. »Ich hab die Bücher von Elisabeth Kübler-Ross im Internet angelesen.«
»Wer ist das?«, wollte Frank wissen.
»Eine der bekanntesten Sterbeforscherinnen, eine Schweizerin. Sie hat lange in den USA gelebt und bestätigt, dass es keinen Tod gibt. Nur den Tod des Körpers.«
»Lea, das ist mir zu hoch!«, gab Frank zu. Inzwischen sah er wie ein Kind aus, das man auf einem riesigen Parkplatz vergessen hatte. Ohne Handy und irgendeinen Schimmer, was jetzt zu tun war. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Langsam streichelte ich über seine Schulter. Ganz die große Schwester, die er gar nicht hatte. Ich zögerte kurz und versuchte es ein letztes Mal mit meinem Angebot. »Lass mich den Fall zu Ende bringen. Bitte!! Ich verspreche dir, ich stelle nichts an und ich geb dir sofort Bescheid, wenn sich was tut.«
Frank atmete so laut aus, dass ich zuerst an eine innere Beklemmung oder einen spontanen Asthmaanfall dachte. Doch er beruhigte sich wieder. »Also gut!«, brachte er schließlich hervor. »Ich geb dir einen Tag.«
Ich küsste ihn überschwänglich auf die Wange und presste ihn an mich, als hätte ich mich ausgerechnet nach all den Jahren in ihn verliebt. »Danke, Frank! Du weißt gar nicht, wie sehr du mir damit hilfst und wie wichtig das ist, was du gerade tust.«
Er löste sich zaghaft von mir, drehte mir die Schultern zu, überquerte kopfschüttelnd die Straße und stieg in den Pick-up. Ich sah dem Kleinerwerden seines Wagens zu und ging dann auf den Eingang der Villa zu. Die Vorahnung, dass ich einen schweren Gang vor mir hatte, hätte ich am liebsten unter den Berg euphorischer Gefühle geschoben, die ich seit der Nacht mit Mark verspürte. Doch ich konnte mir die Frage,
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