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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Branstner
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sich an ihren Großvater erinnern, so ist es ihnen, als ob ich gestorben sei. Deshalb kommt mich immer ein ganz eigenartiges Gefühl an, wenn ich an meinen guten alten Jimmi denke.«
    Die Stille, die diesen Worten folgte, war eine schöne Würdigung der Geschichte des Raumkochs. Man hob schweigend das Glas, trank bedächtig einen Schluck und blickte sodann auf die alte Dame Erde hinab, als ob man dort das kleine Vorgärtchen mit dem alten Jimmi sehen könne.
    Der Automatendoktor, dem es allmählich peinlich wurde, von einer Lügengeschichte wirklich ergriffen worden zu sein, nahm als erster den Blick von der alten Dame und sagte: »Ich habe nicht die Absicht, noch länger ergriffen zu sein. Eine Lügengeschichte kann nicht wirklich ergreifen. Es sei denn, unser Schwerenöter beweist wieder einmal nach allen Regeln der Kunst, daß uns Stroganoff eine Geschichte erzählt hat, die ganz und gar wahrhaftig ist.«
    »Ich werde mich hüten«, entgegnete Kraftschyk. »Wer so schön lügt, den soll man nicht der Wahrheit überführen.«
    Der Himmelsgärtner nickte bedächtig. »Das wäre eine Schande, und die Lüge würde aufhören, einen Sinn zu haben.«
    »Eine sinnvolle Lüge«, entrüstete sich Fontanelli, »das ist nun doch unmöglich!«
    »Das ist Kunst«, sagte Kraftschyk.
    »Kunst«, rief Fontanelli, »das soll wohl ein Scherz sein?«
    »Da würde er nicht grinsen«, meinte der Raumkoch, »wenn Kraftschyk grinst, meint er’s ernst.«
    »Wir hatten doch ausgemacht«, erklärte Kraftschyk und grinste noch immer, »uns nur Lügengeschichten zu erzählen. Mit einer Lüge, von der ausgemacht war, daß sie eine Lüge ist, kann man aber nicht mehr lügen. Hätte uns Stroganoff dagegen statt der ausgemachten Lügengeschichte eine wahre erzählt, hätten wir die Wahrheit für Lüge genommen und wären die Belogenen gewesen.«
    »Das mag zwar logisch sein«, erwiderte Fontanelli, »nur ist es deshalb noch keine Kunst.«
    »Das habe ich auch nicht behauptet«, sagte Kraftschyk. »Die Kunst besteht darin, hinter der ausgemachten und daher als Lüge durchschaubaren Lüge die Wahrheit aufzustellen.«
    »Wenn dem so wäre, gäbe es ohne Lüge keine Kunst. Und das kannst selbst du nicht rechtfertigen«, sagte Fontanelli und grinste nun auch, denn er war sich sicher, den Schwerenöter endlich einmal ins Unrecht gesetzt zu haben.
    Kraftschyk grinste indessen noch hinterhältiger, und der Automatendoktor verlor allmählich seine Sicherheit und hörte schließlich zu grinsen auf.
    »Tatsächlich«, sagte Kraftschyk jetzt, »ist ohne die Technik der heiteren Verstellung heute keine Kunst mehr zu machen, das müßte selbst unserem Automatendoktor bekannt sein. Und die Lüge, wobei immer nur die ausgemachte in Rede steht, ist nur eine der unzähligen Formen von heiterer Verstellung, wenn auch eine besonders hübsche.«
    »Warum hast du nicht gleich gesagt, daß es sich hier um eine Form von heiterer Verstellung handelt«, empörte sich Fontanelli, »das hätte uns die ganze Grinserei erspart.«
    »Wie ich unseren Schwerenöter kenne«, sagte Wirsing und grinste nun auch, »wollte er dir die Gelegenheit geben, selber dahinterzukommen.«
    »Oder auch nicht«, meinte Stroganoff und wippte mit dem Bauch. »Eine verpaßte Gelegenheit ist auch eine Gelegenheit, wenn auch nicht für den, der sie verpaßt.«
    »Nur gut«, versuchte Fontanelli sich mit einem Witz aus der Affäre zu ziehen, »nur gut, daß Stroganoff bereits außer Dienst war, als die Technik der heiteren Verstellung entdeckt wurde. Er hätte die Gelegenheit, sie auch in die Kochkunst einzuführen, gewiß nicht verpaßt.«
    »Da hast du dich aber vertan«, entgegnete Stroganoff, »die heitere Verstellung ist älter als meine Glatze. Allerdings wurde der Mann, der auf sie gekommen war, ich meine auf die Verstellung, seinerzeit für verrückt erklärt.«
    »Noch schlimmer«, sagte Kraftschyk, »er wurde gar nicht beachtet. Erst als die aus der historischen Souveränität des Menschen entspringende Heiterkeit, auch ästhetische Schwerelosigkeit genannt, zur gesellschaftlichen Grundhaltung wurde, erkannte man, daß die heitere Verstellung die allein passende ästhetische Technik ist. Und von da an wurde sie eine ausgemachte Sache.«
    »Eine Art abgekartetes Spiel«, meinte Wirsing, »und das ist bekanntlich die Art von Spiel, die das größte Vergnügen macht. Und da es mit allen Beteiligten abgekartet ist, sind alle in den Stand gesetzt, es zu durchschauen.«
    »Was dem Vergnügen

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