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Vom Himmel hoch

Vom Himmel hoch

Titel: Vom Himmel hoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Branstner
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Kälbchen ans Herz. Also fertigte ich die Ersatzteile für meinen Jimmi selber an. Ihr könnt euch denken, daß mir nicht alles richtig gelang, und nachdem ich ihm zwei oder drei selbstgefertigte Teile eingebaut hatte, fing er fürchterlich zu stottern an und hatte auch Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis. Daher ließ ich die kompliziertesten Sachen lieber bleiben, und als seine Augen nachließen, machte ich ihm keine neuen, sondern setzte ihm eine Brille auf, später kamen ein Krückstock und ein Hörgerät dazu. Davon, daß er mir in der Küche half, konnte jetzt keine Rede mehr sein. Aber ich behielt ihn immer in meiner Nähe, und wenn er auch sonst zu nichts zu gebrauchen war, so mußte er mir doch zuweilen erzählen, wie er mich vor dem Schlachter gerettet hatte. Vergeßlich, wie er geworden war, stotterte er die Geschichte mühsam zusammen, aber das machte mir den Alten nur menschlicher. Manchmal tat er mir richtig leid, wenn er sich mit seinem schlechten Gedächtnis herumquälte, und ich half ihm hin und wieder unauffällig ein wenig nach.
    Als wir unsere Fahrt beendeten und zur Erde zurückkehrten, war er zu einem richtigen alten Tattergreis geworden. Ich mußte ihn, als wir von Bord gingen, wahrhaftig an der Hand führen. Die Reporter erkannten in ihm den berühmten Jimmi, meinen Lebensretter, nicht wieder und ließen uns ungeschoren davonziehen.
    Natürlich war nun nicht mehr daran zu denken, Jimmi noch einmal auf große Fahrt mitzunehmen. Als ich wieder anheuerte, brachte ich ihn, bevor ich an Bord ging, zu meiner verheirateten Tochter. Da er ihr in der Küche nicht zur Hand gehen konnte, gab sie ihn den Kindern, denen er bald wie ein Großvater wurde. Er holte sie von der Schule ab, half ihnen bei den Hausaufgaben oder begleitete sie auf den Spielplatz. Mußten sie aber, weil das Wetter es so wollte, im Hause bleiben, so setzten sie sich ihm auf die Knie, und er erzählte ihnen statt meiner die Geschichten, die man seinen Enkeln erzählt. Auf die Weise gewöhnten sich die Kleinen an ihn und dachten kaum noch an ihren wirklichen Großvater.
    Jimmi wurde indessen immer klappriger, und da keiner da war, der ihn, wenn auch nur notdürftig, intakt hätte halten können, setzte er eines Tages ganz aus. Ihr könnt euch denken, daß meine Enkel das große Heulen kriegten. Meine Tochter erinnerte sie natürlich daran, daß Jimmi doch nur ein Automat gewesen sei, aber das half auch nichts. Tröstet mal eine Puppenmutti damit, daß die verlustig gegangene Puppe doch nur ein toter Gegenstand gewesen sei. Die Kleine würde nun auch noch über eure Herzlosigkeit weinen müssen. Jimmi aber war mehr gewesen als nur ein toter Gegenstand. Er hatte meinen Enkeln den Großvater ersetzt. Und als meine Tochter den Vorschlag machte, ihn bei der nächsten Gerümpelaktion zur Sammelstelle zu bringen, traten die Kinder in den Hungerstreik. Das war zwar ungewöhnlich, jedenfalls hat es meines Wissens dergleichen noch nicht gegeben, aber es hatte Erfolg. Jimmi durfte da stehen bleiben, wo er, als es mit ihm zu Ende ging, stehengeblieben war, nämlich inmitten des Vorgärtchens. Die Kinder pflanzten ihm zu beiden Seiten einen Lebensbaum, zu seinen Füßen aber brachten sie eine Tafel an mit der Aufschrift: ›Das ist Jimmi – er war uns ein guter Großvater‹
    Ihr könnt euch denken, daß es mich einigermaßen verschnupfte, als ich, aus dem All zurückgekehrt, das erste Mal diese Aufschrift las. Ich machte meinen Enkeln auch den Vorschlag, ob sie nicht besser ›Das ist Jimmi, der Lebensretter unseres Großvaters‹ auf die Tafel schreiben wollten. Das lehnten sie aber ab. Später habe ich eingesehen, daß sie darin wohl recht hatten. Kinder wollen nicht nur Kinder, sie wollen auch Enkel sein, wie sie später nicht nur Eltern, sondern auch einmal Großeltern sein wollen, weil ihnen sonst irgendwas fehlt. Einem Tier würde nichts fehlen, weil das keinen Enkel oder Großvater braucht. Das ist wohl auch so ein Unterschied. Aber wie dem auch sei, so oder so hatten meine Enkel einige Zeit das Gefühl gehabt, Enkel zu sein, und das verdanken sie Jimmi. Daß ich ihm mein Leben verdanke, mag auf den ersten Blick wichtiger erscheinen, von tieferer Bedeutung aber ist es nicht. Eben darum habe ich euch von dem Roboter Jimmi erzählt. Oder ist es nicht merkwürdig, daß er dort unten auf der Erde an meiner Stelle steht, inmitten eines freundlichen Vorgärtchens, an beiden Seiten einen Lebensbaum? Und wenn meine Enkel an ihm vorübergehen und

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