Vom Himmel hoch
zum gleichen Geschlecht ist der auserkorene Underdog der Belegschaft.
Ein Blitzableiter, der sich duckt und widerstandslos alles schluckt. Armes
Schwein. Bleibt noch der Hausmeister, der unter grenzenloser
Selbstüberschätzung seiner Position leidet. Ihm scheint nicht ganz wohl in
seiner Haut, da man ihm eventuell Nachlässigkeiten beim Umgang mit
Fahrzeugschlüssel und Papieren anhängen könnte. Rätselhaft ist auch der Fahrer,
dieser Bardolic, von dem uns der Hausmeister weismachen will, dass er
schwarzarbeitet. Was ist nun, wenn der Banzer ihn wirklich bei
Nebenbeschäftigungen erwischt hat und sein übles Spiel mit ihm getrieben hat?«
»Den Dänen müssen wir noch durchleuchten. Der hatte
heute Urlaub. Bleiben noch dieser Arno Kleinwächter, dem nach unseren
bisherigen Informationen Banzer das Geschäft madig gemacht hat, und der Freund
von Ellen, dem mehrere Leute notorische Eifersucht angedichtet haben. Das ist
immer schon ein guter Grund gewesen, anderen ans Leder zu gehen.«
»So, da wären wir«, unterbrach Große Jäger ihre
Überlegungen und fuhr auf den Hof der Polizeiinspektion in der Poggenburgstraße.
»Ich habe einen Bärenhunger.«
*
Vom hoch gelegenen Bahndamm drang das Aufheulen der
Dieselmotoren herüber. Da die Eisenbahn an der Westküste bis heute nicht
elektrifiziert ist, werden die Intercity-Züge ab Hamburg mit zwei
Diesellokomotiven bespannt. Die beigen Wagen mit der roten Bauchbinde gehörten
zum IC aus Leipzig, der
theoretisch um dreizehn Uhr auf dem gegenüberliegenden Bahnhof eintreffen
sollte. Das einzig Verlässliche am Fahrplan war, dass der Zug Verspätung hatte.
So war es auch heute, als Christoph und Große Jäger in der Poggenburgstraße
eintrafen.
Das Büro auf der Dienststelle war verwaist. Mommsen
hatte seinen Dienst bei der Mordkommission schon angetreten.
Große Jäger setzte sich wortlos an den Computer und
wollte prüfen, ob einer der Namen, denen sie heute Morgen begegnet waren, in
der »Kundendatei« zu finden war.
Christoph erinnerte sich des Umschlages mit den
Angaben zum gestohlenen Lkw und legte ihn auf seinen Schreibtisch, als sein
Telefon läutete.
»Starke!«, bellte es ihm aus dem Hörer entgegen.
Christoph sah vor seinem Auge den Kriminalrat Dr.
Starke unruhig in seinem Sessel mit Wippautomatik schaukeln, dabei die Augen
starr auf die Notizen vor sich gerichtet, die er für dieses Telefonat
angefertigt hatte.
Seit ihrer ersten Begegnung war den beiden Männern
klar, dass sie keine Sympathie füreinander empfanden.
»Frau Dobermann hat mich informiert«, begann der
Vorgesetzte seine Schimpftirade. »Wie kommen Sie dazu, in diesem Fall zu
ermitteln, obwohl Ihnen ausdrücklich durch Frau Dobermann aufgetragen wurde,
sich da herauszuhalten.«
Christoph holte tief Luft.
»Sie unterliegen dem gleichen Irrtum wie die Kollegin.
Der Herr Große Jäger und ich haben den ›Friesischen Metallbau‹ aufgesucht, um
Ermittlungen in Sachen eines vom Firmengelände gestohlenen Lkws durchzuführen.
Zufällig sind wir dort auf den Fall Banzer gestoßen. So habe ich mit der
Kollegin Dobermann abgestimmt, dass wir die Vernehmungen fortsetzen, um das
Überraschungsmoment zu nutzen.«
»Ich glaube Ihnen nicht«, donnerte es aus dem Hörer
zurück. »Sie haben – wieder einmal – Ihre Kompetenzen in unzulässiger Weise
überschritten. Das wird nicht ohne Konsequenzen für Sie bleiben – und für Ihren
Mitarbeiter auch nicht«, schob er hinterher.
»Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ich mich nicht
danach gedrängt habe, kommissarisch nach Husum versetzt zu werden.«
Der Kriminalrat schnaufte verächtlich ins Telefon.
»Das ist mir bekannt. Man hat mir aus Kiel Ihre Bitte um Rückversetzung in die
Landeshauptstadt zur Stellungnahme zugesandt. Sie glauben doch nicht im Ernst,
dass ich Ihr Ansinnen gutheiße und Sie wieder in diese ruhige Position in der
Polizeiverwaltung entlasse? Ich versichere Ihnen, so lange es in meinem
Zuständigkeitsbereich liegt, werden Sie im Polizeidienst keinen Blumentopf mehr
gewinnen.«
Das nahm ihm Christoph unwidersprochen ab. Im Stillen
hatte er gehofft, mit seinem Versetzungsgesuch und den, so glaubte er, guten
Beziehungen vergangener Tage wieder an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren
zu können.
Er war mit sich selbst uneinig. Zum einen wohnte seine
Familie, die Ehefrau und der jüngste Sohn, in Kiel. Mit ihrer Kanzlei war seine
Frau als Anwältin an den Standort gebunden, während sein Sohn derzeit mitten in
der
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