Vom Himmel hoch
Bücherregalen an allen
vier Wänden bestückt.
Eine ältere, schlicht gekleidete Frau erhob sich aus
einem tiefen Sessel.
»Lore Bartling«, stellte Pastor Hansen vor. »Sie hat
heute Nacht während des Gewitters eine übernatürliche Erscheinung gesehen.« Mit
einem leicht spöttischen Zug um den Mund fuhrt er fort: »Frau Bartling war
Lehrerin an unserer Schule. Sie hat nicht nur einen guten Draht zum lieben
Gott, sondern ist auch mit der besonderen Gabe ausgestattet, Übersinnliches
wahrzunehmen.«
Die Frau blickte ein wenig ratlos.
»Herr Pastor …« begann sie, wurde aber von ihm
unterbrochen.
»Was ist denn, Frau Lehrerin?«, warf er mit ironischem
Unterton ein.
Die Frau wandte sich an die beiden Beamten. »Wissen
Sie, beim Herrn Hansen weiß man nicht immer so ganz genau, woran man gerade
ist.«
Hansen lächelte. »Es ist ja unser Beruf, die Dinge
verständlich zu machen, die zwischen Himmel und Erde schweben, wenn die
Betonung auch mehr auf dem Himmel liegen sollte. Liebe Frau Bartling, ich bin
ja schon lang genug dabei, habe es sogar bis zur Pensionierung gebracht. Aber
glauben Sie mir, weder im Alten noch im Neuen Testament lässt der liebe Gott UFO s kreisen.«
»Da war aber bestimmt eines. Ich habe es mit eigenen
Augen gesehen. Und woher soll der Tote auf dem Marktplatz sonst kommen?«
Pastor Hansen sah die beiden Beamten an. »Das können
uns die Herren von der Polizei bestimmt erklären.«
Christoph schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Wir
stehen erst am Anfang unserer Ermittlungen.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um etwas
Übernatürliches handelt«, beharrte die Frau.
Der Mann mit dem Zopf hob spielerisch den Zeigefinger.
»Aber Frau Bartling. Sie wollen sich doch nicht an unserem Herrgott versündigen
und solche Sachen denken.«
Erschrocken hielt die Frau inne. Hansen hatte sie nun
vollends verwirrt.
»Für diese Erscheinung gibt es gewiss eine natürliche
Erklärung. Vielleicht haben Sie ein Flugzeug gesehen, das wegen des Unwetters
niedrig flog.«
Aber die Frau war hartnäckig.
»Was haben Sie genau gesehen?«, fragte Christoph.
Frau Bartling suchte nach Worten.
»Na, ein UFO «,
sagte sie dann.
»Wie sah das UFO denn aus?«
Sie spitzte den Mund, als wollte sie das Halleluja
pfeifen.
»Tja …«, kam es gedehnt über ihre Lippen. »Wie sah es
aus?«
Dann war Pause.
Große Jäger wurde zuerst ungeduldig.
»Nun, wie sah es aus?«
Frau Bartling sah dem Oberkommissar in die Augen, so
als würde sich die nächtliche Erscheinung dort widerspiegeln. Und schwieg
weiter.
»Hallo!« Große Jäger machte mit der Hand eine
Winkbewegung, um sie aus dem Trancezustand zu wecken.
»Wie sah es aus?«, wiederholte sie noch einmal
gedehnt, wechselte ruckartig die Blickrichtung und sah Pastor Hansen an. »So
genau weiß ich das auch nicht«, sagte sie schließlich.
Der Oberkommissar atmete hörbar aus.
»Sie müssen wissen«, erklärte sie nun Christoph, »dass
ich allein in meinem Haus lebe. Es steht ein wenig abseits am Sommerdeich. Ich
fürchte mich vor Gewitter, deshalb ziehe ich immer das Rollo herunter und
schließe die Vorhänge.«
»Das heißt, Sie haben nichts, absolut nichts gesehen«,
zog Christoph das Fazit.
»Doch!«, beharrte sie trotzig. Schwieg aber, als die
drei Männer im Raum sie durchdringend musterten.
»Frau Bartling, ich glaube, Sie können jetzt gehen«,
nahm Pastor Hansen als Erster den Faden wieder auf.
Mit ängstlichen Augen blickte sie ihn an. »Ich fürchte
mich doch so, Herr Pastor.«
Der stand auf, stellte sich vor die Frau, faltete
seine Hände und murmelte irgendetwas in seinen Dreitagebart. Dann hob er die
rechte Hand und machte in Richtung der Frau ein Kreuz.
»So, Frau Bartling. Nun müssen Sie keine Sorge mehr
haben. Mit Gottes Segen sind Sie vor allem Unbill geschützt. Auch vor UFO s«, fügte er halblaut hinzu.
Ohne weitere Worte fasste er die Frau am Arm und schob
sie zur Tür hinaus.
»Die gute Lore ist ein wenig sonderbar«, erklärte der
Pastor und sah auf, als eine andere Frau mit einem Tablett in das Arbeitszimmer
trat, auf dem sie vier Tassen, eine Teekanne sowie Sahne- und Zuckergefäß
balancierte.
Sie war eher klein, reichte Pastor Hansen nicht einmal
bis zur Schulter, und hatte unter dem erblondeten Haarschopf ein Gesicht, das
Energie und Durchsetzungsvermögen ausstrahlte. Die ausgeprägt weibliche Figur
verriet, dass man mit ihr sicher sachverständig über die gute Küche diskutieren
konnte.
»Meine Frau«,
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