Vom Himmel hoch
ihn.
Er konnte sich in diesem Stimmengewirr nur durch
Nicken verständlich machen.
Die Frau mit ihrem kurzen rotbraunen Haar war einen
guten Kopf größer als Christoph und verlor auch in der größten Hektik nicht die
Ruhe. Mit ordnender Hand führte sie Regie in der lebhaften Praxis.
Als kurz darauf ein Patient das Sprechzimmer des
Arztes verließ, winkte sie Christoph zu sich und führte ihn ins
Behandlungszimmer, ohne sich um den Protest der schon länger wartenden Rentner
zu kümmern.
Dr. Hinrichsen lehnte sich in seinem Stuhl zurück und
fuhr sich mit der Hand über die Augen. Der Mann sah erschöpft aus.
»Sie wollen wissen, ob es Neuigkeiten gibt?«, fragte
er.
Christoph nickte.
Ȇber das hinaus, was ich Ihnen heute Morgen bereits
sagen konnte, gibt es leider keine neuen Erkenntnisse. Für mich steht nach wie
vor fest, dass der Mann abgestürzt ist. Sie erinnern sich an meine kleine
Demonstration heute früh? Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es eine Höhe, die
ungefähr der vierten bis sechsten Etage eines Hauses entspricht, vielleicht
etwas mehr.«
»Dann schließen Sie den Sprung oder Wurf aus einem
Flugzeug aus?«, fragte Christoph, um gleich darauf zu ergänzen: »Einen
Freiluftballon können wir in Anbetracht der Witterungsverhältnisse in der Nacht
ebenfalls ausschließen.«
»Definitiv! Das hätte andere Verletzungen gegeben. Was
mich auch wundert, ist, dass er mit dem Fuß zuerst aufgekommen ist, fast ein
wenig in Hockstellung. Wäre er aus größerer Höhe abgestürzt, hätte sich der
Körper aufgrund der Gewichtsverteilung wahrscheinlich gedreht, und der Kopf
wäre zuerst aufgeschlagen. Ich spare mir die Schilderung, wie der Fundort dann
ausgesehen hätte. Kurzum, suchen Sie nach einer Lösung, die zwischen einer
Fallhöhe von schätzungsweise fünfzehn bis vierzig Metern liegt.«
Christoph bedankte sich bei Dr. Hinrichsen und bekam
beim Hinausgehen ein strahlendes Lächeln von Anna Bergmann geschenkt. Er
schlängelte sich durch die wartenden Patienten hindurch an den Tresen, dankte
ihr für die bevorzugte Behandlung und fragte eher rhetorisch: »Wie kann ich
mich revanchieren?«
Sie lächelte ihn erneut an. »Laden Sie mich ganz
einfach zum Italiener ein.«
Er sah wohl etwas irritiert aus, was ihr nicht
entging.
»Jaaa …«, stammelte er, »ich rufe Sie an.«
*
Mommsen war nach seiner Abkommandierung zur
Mordkommission ins provisorische Lagezentrum gefahren, das Frauke Dobermann im
Aufenthaltsraum der Polizeistation Bredstedt eingerichtet hatte.
Unter den Beamten waren die Aufgaben verteilt worden.
Mommsen hatte eine Liste mit den Namen der Mitarbeiter des Unternehmens
bekommen, die in engem Kontakt zu Harald Banzer gestanden hatten. Er sollte
sich um die Alibis für die vermutete Tatzeit kümmern, die man ohne Bestätigung
durch Labor und Pathologie grob auf die zwei Stunden nach Mitternacht schätzte.
Bevor Mommsen zum Unternehmen aufbrach, hatte Frauke
Dobermann ihm ihre Handynummer gegeben. Sie nannte ihm eine Uhrzeit, zu der
Mommsen ihr Bericht erstatten sollte. Sie würde sich in einem Hotel am Markt
für die erste Zeit der Ermittlungsarbeit vor Ort ein Zimmer nehmen und erwarte
ihn zur vereinbarten Stunde im Restaurant zum Rapport.
Jetzt saß er am leeren Schreibtisch im Büro des
»Friesischen Metallbaus« und überflog seine Notizen.
Ernst-Georg Roth hatte angegeben, bis einundzwanzig
Uhr im Büro gearbeitet zu haben. Bezeugen konnte das niemand, da er als Letzter
gegangen war. Er hatte sich Arbeit mit heimgenommen.
Seine Frau und eine der Töchter seien gegen
zweiundzwanzig Uhr nach dem Ende einer Fernsehsendung ins Bett gegangen. Er
habe bis gegen Mitternacht gearbeitet und dann im Arbeitszimmer übernachtet, da
er seine Frau nicht stören wollte. Sie hatte ihm ohnehin Vorhaltungen darüber
gemacht, dass er das Familienleben total vernachlässigen würde.
Bereits vor dem gemeinsamen Frühstück habe er das Haus
wieder verlassen.
Er war sich sicher, dass seine Familie das bezeugen
konnte, obwohl er während der fraglichen Zeit niemandem im Haus begegnet war.
»Theoretisch hätten Sie das Haus aber noch einmal
verlassen können«, hatte Mommsen ihn gefragt.
»Das ist doch Unsinn«, war der einzige Kommentar, den
Roth dazu abgegeben hatte.
Kurt Schönborn gab an, das Büro etwas früher als
gewöhnlich verlassen zu haben. Er würde nach Anwesenheit honoriert und sei
deshalb niemandem Rechenschaft über seine Arbeitszeit schuldig. Natürlich hatte
er Harald
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