Vom Himmel hoch
Hintergrund hörten sie den Lärm, der aus der Küche kam.
»Der Tote war nicht nur Mitarbeiter des Unternehmens,
in dem Ihre Lebenspartnerin beschäftigt ist. Er war auch noch deren
Vorgesetzter. Darüber hinaus gibt es Anlass zur Vermutung, dass es zwischen
Ihrer Freundin und dem Mordopfer auch außerdienstliche Kontakte gegeben hat.«
Geerdsen winkte ab. »Das ist lange her. Schwamm
drüber. Der Kerl hat sich schweinisch benommen. Aber nach Ellens Erzählungen
war sein Verhalten gegenüber anderen Kollegen auch nicht besser. Da gab es
viele Leute, die ihn gehasst haben.«
»Das trifft sicher zu. Heute interessiert mich aber
gezielt Ihre direkte Auseinandersetzung mit Banzer. Da spielt Ihre überzogene
Eifersucht eine wichtige Rolle.«
Es hatte den Anschein, als wollte der Mann
aufspringen. Heftig protestierte er:
»Das ist nicht wahr. Ich bin nicht krankhaft
eifersüchtig. Dass es mich nicht unberührt lässt, wenn meine Lebenspartnerin
fremdgeht, sollte auch das Verständnis der Polizei finden. Abgesehen davon hat
Ellen sich nicht aus freien Stücken hingegeben. Sie ist genötigt worden. Er hat
sie unter Drohungen zu sexuellen Handlungen gezwungen.«
»Können Sie das näher erläutern?«
Der junge Mann schluckte, bevor er weitersprach.
»Er hat ihr gedroht, sie würde den Arbeitsplatz
verlieren, wenn sie sich nicht kollegialer verhalten würde.« Er lachte kurz
auf. »Kollegiales Verhalten nannte das Schwein diese Erpressung.«
Dann sah er Christoph an, als würde er um Zustimmung
bitten. Der reagierte aber nicht.
»Damit war es aber nicht genug. Hinterher kam auch
noch die Verleumdungskampagne in der Öffentlichkeit. Der Banzer hat uns, Ellen
und mich, in den Dreck gezerrt. Wir können ja kaum mehr unter Menschen gehen.
Selbst hier im Amt war ich den schäbigen Blicken der anderen ausgesetzt. Jeder
Gang durchs Haus bedeutete einen Spießrutenlauf. Ich möchte gar nicht wissen,
was hinter meinem Rücken getuschelt wurde. Nein! Der Mann musste weg. Der war
ein Eiterherd für seine ganze Umgebung. Das hat irgendjemand begriffen.«
»Haben Sie ihn aus dem Weg geräumt?«
Geerdsen sah ihn aus aufgerissenen Augen an. »Ich?«,
fragte er ungläubig. »Meinen Sie Ihre Frage ernst?«
Christoph nickte stumm.
»Ich hätte es tun sollen«, bekannte der andere
freimütig, um dann zu fragen: »War es überhaupt Mord? Mir ist nur bekannt, dass
man die Leiche neben dem Schweinebrunnen gefunden hat. Es gab zwar vielerlei
Spekulationen, aber von erwiesenem Mord habe ich noch nichts gehört.«
»Ja. Harald Banzer ist ermordet worden.«
»Donnerwetter«, gab Daniel Geerdsen überrascht von
sich. »Meine Hochachtung vor dem, der zur Tat geschritten ist.«
»Sie wagen sich weit hinaus«, mahnte Christoph.
»Vergessen Sie nicht, dass hier ein Mensch ermordet wurde, der außerdem eine
Familie hinterlässt. Wir sprechen hier über eine abscheuliche Straftat.«
»Auch wenn es im Augenblick gegen mich spricht, aber
ich kann meine heimliche Freude über das Geschehen nicht verbergen.«
Christoph musterte sein Gegenüber durch den oberen
Brillenteil. »Warum haben Sie und Ellen das Mobbing geduldet? Sich nicht zur
Wehr gesetzt? Ihre Freundin hätte beispielsweise kündigen und sich einen
anderen Job suchen können.«
Geerdsen lachte höhnisch auf. »Wer in dieser Gegend
seinen Arbeitsplatz verliert, bekommt so schnell keinen neuen. Und wenn Ellen
selbst gekündigt hätte, wäre sie vom Arbeitsamt mit einer Sperrfrist belegt
worden. Wer hätte dann den Lebensunterhalt finanziert?«
»Sie beziehen auch ein Einkommen. Von dem hätten Sie
Ihre Lebenspartnerin sicher eine Weile mit ernähren können.«
Geerdsen drehte die Handflächen nach oben, um die
Geste der leeren Taschen anzudeuten.
»Sie sind doch auch im öffentlichen Dienst beschäftigt
und wissen, wie karg Vater Staat seine Diener entlohnt. Ellen hat ein
wesentlich höheres Einkommen. Ohne dieses Geld könnten wir unseren
Lebensstandard nicht halten. Wohnung, Auto, Urlaub … Wer soll das bezahlen?«
»Das heißt, Sie haben in vollem Bewusstsein
akzeptiert, dass Ihre Freundin fortgesetzt dem psychischen Druck ausgesetzt, ja
sogar körperlich angegangen wurde, nur um Ihr eigenes materielles Wohlbefinden
nicht zu gefährden?«
Doch Geerdsen zuckte nur mit den Schultern. »Da muss
man durch.«
»Wo waren Sie in der vorletzten Nacht?«, wollte Christoph
wissen.
Misstrauen überzog jetzt das Gesicht Geerdsens. »Ich
war zu Hause«, erwiderte
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