Vom Himmel hoch
er.
»Allein?«
»Nein, mit Ellen. Schließlich wohnen wir zusammen.«
Christoph sah sein Gegenüber durchdringend an. »Das
ist nicht wahr. Dem steht Ellens Aussage entgegen. Die hat erzählt, sie wäre
nach einem Streit mit Ihnen weggefahren und hätte bei einer Freundin
übernachtet. Das haben wir überprüft. Die Freundin und deren Ehemann haben es
bestätigt.«
»Zuerst war ich mit Ellen zusammen«, räumte Geerdsen
zerknirscht ein. »Es stimmt, wir haben uns gezankt.«
»Um was ging es bei dem Streit?«
Er nagte an seiner Unterlippe, bevor er zögernd
antwortete: »Ich hatte den Verdacht geäußert, dass sie die intime Beziehung zu
Banzer wieder aufgenommen hätte. Das bestritt sie. Darüber haben wir heftig
diskutiert. Dann hat sie ihre Sachen zusammengerafft und ist zu ihrer Freundin
gefahren.«
»Sind Sie handgreiflich geworden?«
Geerdsen schüttelte energisch den Kopf. »Ich bin nicht
gewalttätig. Eine Frau schlage ich schon gar nicht.«
»Gab es Anhaltspunkte für Ihren Verdacht, dass sich
erneut etwas zwischen Ellen und Banzer abgespielt hat?«
»Keine konkreten«, gab er zu, »es war eher so ein
Gefühl. Sie hat sich in der letzten Zeit verweigert, wenn Sie verstehen, was
ich damit meine«, bemühte er sich zu erklären. »Ellen gehört aber nicht zu den
Frauen, die dem intimen Verkehr unter dem Vorwand der Migräne aus dem Weg
gehen. Ganz im Gegenteil. Für sie ist Sex genauso wichtig wie essen und
trinken. Und sie braucht es ebenso häufig …«, fügte er mit leiser Stimme an.
»Deshalb habe ich mir meine Gedanken gemacht. Für mich war es logisch, dass ein
anderer Mann im Spiel ist. Und nach den schlechten Erfahrungen der
Vergangenheit konnte das nur Banzer gewesen sein.«
»Wo waren Sie in der Zeit, nachdem Ellen das Haus
verlassen hatte?«
Geerdsen musste nicht lange überlegen. »Ich bin in
unserer Wohnung geblieben. Ich hatte eine Mordswut im Bauch. Auf Ellen. Noch
mehr auf Banzer. Wie ein gefangenes Tier bin ich in der Wohnung auf und ab
gelaufen, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann kam das Gewitter. Ich
habe versucht, in Zeitschriften zu blättern, mich durch das Fernsehprogramm
gezappt, aber nichts half. Irgendwann bin ich dann eingeschlafen. Am nächsten
Morgen bin ich völlig zerschlagen zum Dienst gegangen. Meine Kollegen im Amt
haben gelästert, weil ich total übermüdet war. Sie können sich bestimmt
vorstellen, welche unqualifizierten Sprüche ich über mich ergehen lassen
musste.«
»Um es kurz zu fassen: Einen Zeugen gibt es nicht.
Kein Telefonat, nichts.«
Geerdsen nickte müde. »Nein, ich war ganz allein.«
»Haben Sie sich denn mit Ellen wieder versöhnt?«
Ein Strahlen veränderte seinen Gesichtsausdruck. »Ja,
ich glaube, jetzt ist alles wieder in Ordnung. Ellen ist gestern Abend
heimgekommen. Nach dem Tod dieses Ungeheuers wird alles wieder gut.«
»Eine letzte Frage: Kennen Sie Axel Fricke?«
»Ja, natürlich. Das ist ein Kollege aus dem Amt.«
»Sind Sie mit ihm befreundet?«
»Nein. Ich kenne ihn nur vom Sehen. Guten Tag und
guten Weg. Sonst haben wir nichts miteinander zu tun. Er ist außerdem in einem
anderen Sachgebiet tätig.«
Christoph verabschiedete sich. Vom Kreishaus bis zu
seiner Wohnung in der Berliner Straße waren es nur wenige Schritte. Er wollte
sich dort seinen Pkw abholen, der immer noch vor der Haustür stand. Den kurzen
Fußweg nutzte er, um sich das Gespräch mit Geerdsen noch einmal durch den Kopf
gehen zu lassen. War der junge Mann fähig gewesen, aus Eifersucht einen Mord zu
begehen? War es zu abwegig zu glauben, dass ihm der untergetauchte Axel Fricke
eventuell dabei geholfen hatte? Und welche Rolle spielte der vermisste
Fallschirm, nachdem die Polizei jetzt wusste, auf welche Weise Harald Banzer
ermordet worden war.
*
Mittlerweile war es später Vormittag geworden.
Christoph hatte Große Jäger von der Dienststelle abgeholt. Dann waren sie in
Christophs Volvo-Kombi nach Bredstedt gefahren.
Als sie sich der Werkstatt Kleinwächters näherten,
sahen sie ihn aus dem heruntergekommen wirkenden Gebäude treten. Er wischte
sich die Hände an seinem ölverschmierten Arbeitsanzug ab und bestieg einen
älteren Kombi, der ebenfalls bessere Tage gesehen hatte. Seine Werkstatt stand
unverschlossen offen, als der Mann das Grundstück verließ und der Lornsenstraße
parallel zu den Bahngleisen folgte.
Christoph fuhr vorsichtig hinterher. Es war eine
Eingebung, die keiner Abstimmung mit dem neben ihm sitzenden Große
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