Vom Himmel hoch
solche Sprüche hören möchte. Ich werde dein widerliches
Verhalten Herrn Roth mitteilen.«
Der Dicke grinste und nahm dabei aus den Augenwinkeln
wahr, dass auch der Hausmeister seinen Gefallen an dieser Auseinandersetzung
gefunden hatte.
»Kannst du gern machen. Vergiss dabei auch nicht, den
Betriebsrat zu informieren«, höhnte er.
Ellen Heckert war aufgebracht. »Du warst einer
derjenigen, die sich gegen einen Betriebsrat gestemmt haben. Ich vergesse
nicht, wie du dich auf die Seite Roths und Banzers geschlagen hast. ›Wir
brauchen keinen Betriebsrat‹«, äffte sie die Stimme des Dicken nach, »›da wir
alle Fragen vertrauensvoll und einvernehmlich regeln. Wir sind eben eine große
Familie .‹ Mein Gott, ich kann dein Gelaber nicht mehr ab.«
Sie fingerte aus ihrer engen Jeans ein
Papiertaschentuch hervor und tupfte sich die Tränen aus den Augenwinkeln.
Anders Sørensen nahm sie vorsichtig in den Arm, um sie
zu trösten.
»Wer hat denn zur Verschlechterung des Betriebsklimas
beigetragen?«, giftete der Dicke zurück. »Seht euch doch alle einmal im Spiegel
an. Jeder ist nur darauf aus, sich ganz persönliche Vorteile zu verschaffen.«
»Das stimmt so nicht«, protestierte der alte Seifert,
doch Fröhlich wischte seinen Einwand mit einer Handbewegung beiseite.
»Sei du leise«, sprach er ihn direkt an. »Du sitzt in
deiner Ecke, verzehrst dein Gnadenbrot, und wir anderen müssen für dich
mitarbeiten. Du bist Alteisen, das jemand vergessen hat, vom Hof zu fegen.«
»Was ist denn hier los?«, mischte sich Doris Landwehr
ein, die im Türrahmen stand und dem Disput gefolgt war.
»Ach«, höhnte der dicke Fröhlich, »die gnädige Frau
ist auch schon da.«
Sie ging mit ruhigen Schritten auf ihn zu, blieb vor
ihm stehen und sah ihm in die Augen.
»Haben Sie in irgendeiner Weise über meine Arbeitszeit
zu befinden, Herr Fröhlich?«, fragte sie scharf. »Ich kann mich nicht erinnern,
Ihnen Rechenschaft schuldig zu sein. Und wenn Sie den direkten Vergleich
suchen, dann werden Sie bestimmt bemerkt haben, dass ich mich während meiner
täglichen Anwesenheit in diesem Büro wirklich mit den anstehenden Aufgaben
auseinander setze. Das kann man von Ihnen nicht behaupten. Für mich sind Sie
nichts weiter als ein Ochse. Der kann nichts anderes mehr als Mist
produzieren.«
Fröhlich rang nach Luft. Im Augenblick fehlten ihm
sichtlich die Worte für eine Erwiderung.
»Das … das … ist eine Beleidigung!«, schrie er ihr
schließlich ins Gesicht. »Ein Ochse, das … das … der ist ja kastriert!«
Seine Erregung wurde dadurch gesteigert, dass alle
anderen in schallendes Gelächter ausbrachen.
»Zeigen Sie mir die Frau als Zeugin, die bereit ist,
das Gegenteil von Ihnen zu behaupten«, gab Doris Landwehr über die Schulter
zurück, während sie sich abwandte und ihrem Arbeitsplatz zustrebte.
Ein Räuspern von der Eingangstür zog die
Aufmerksamkeit aller auf sich.
Roth stand unter dem Türrahmen.
»Gibt es bemerkenswerte Neuerungen, die einen solchen
Auflauf rechtfertigen würden?«, fragte er in den Raum.
Niemand antwortete.
»Wir haben bereits gestern durch die Anwesenheit der
Polizei einen ganzen Arbeitstag verloren. Wer noch einen konstruktiven Beitrag
zum Thema leisten kann, der möge sich jetzt äußern.«
Alle schwiegen.
»Gut. Dann hätten wir das geklärt. Falls Ihnen später
noch etwas Wichtiges einfallen sollte: Meine Tür steht jederzeit für Sie offen.
Im Übrigen geht trotz dieses nachhaltigen Eingriffs in unseren Betriebsablauf
das Leben weiter. Herrn Banzer können wir nicht mehr lebendig machen. Das
ehrenvolle Andenken, das wir ihm schuldig sind, können wir aber am besten
dadurch unter Beweis stellen, dass wir in seinem Sinne handeln. Und Sie alle
wissen, dass er sich mit Engagement und Leidenschaft für diesen Betrieb
eingesetzt hat. Ich darf Sie bitten, sich wieder in der gewohnten Weise Ihrer
Verantwortung zu stellen. Auch wenn es in dieser Situation nicht einfach ist.«
Mit gesenkten Köpfen täuschten die Mitarbeiter im Raum
Aktivität vor.
Roth ließ seinen Blick durch das Büro schweifen,
bemerkte den leeren Schreibtisch.
»Ist Herr Schönborn noch nicht da?«
Eilfertig dienerte sich Carsten Fröhlich mit einer
Antwort an. »Der hat sicher wieder Migräne. Das kommt oft vor, dass er erst am
späten Vormittag im Büro erscheint. Der hat es nicht nötig, wie wir
Festangestellten pünktlich zur Arbeit zu kommen. Kein Wunder, bei dem Honorar,
was der am Monatsende nach Hause
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