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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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arme Mann geht unter, der fliegende Geselle weiß zu leben.«
    »Falls es etwas Wichtiges gibt, schreib mir postlagernd nach Ivalo, das wünscht Papa Hermanni.« Ragnar glaubte einen feuchten Schimmer in Hermannis Augen zu sehen, als dieser die Umschläge beleckte und zuklebte. Dann gingen sie gemeinsam zur Post, wo Ragnar endlich seinen Bericht an Lena Lundmark als Eil- und Einschreibesendung aufgab, während Hermanni seine Briefe an die Kinder abschickte.
    »So sieht es aus, das Leben eines fliegenden Holzfällers …, die Kinder sind in der Welt, und die Hütte ist zu Asche verbrannt«, sagte Hermanni Heiskari mit leisem Lachen, als sie ins Taxi stiegen und die letzten vier Meilen zum Touristenhotel Inari fuhren. Dort wollten sie übernachten und, wie gewohnt, das Beste essen, was das Haus zu bieten hatte. Diesmal war es gebratene rotfleischige Forelle in Kognak-Sahne-Soße.
    Nach dem Lunch fiel Hermanni Heiskari müde aufs Bett, während Ragnar Lundmark sich noch ein wenig im Ort Inari umsehen wollte. Er kam auf die Idee, das Sámi-Museum zu besichtigen, das, ähnlich wie das Freilichtmuseum Seurasaari, ein eingezäuntes Gelände war und außerhalb des Ortes lag, einen Fußmarsch vom Zentrum entfernt. Dort hatte man ein komplettes samisches Dorf mit sämtlichen entsprechenden Gebäuden und Gerätschaften errichtet.
    Das interessanteste Objekt auf dem Gelände war ein kleines Blockhaus, das seinerzeit als Gerichtsstube für Inari und Umgebung gedient hatte. In der undichten Hütte war über Sámis und Skolts Recht gesprochen worden. Der Richter hatte am Tisch gesessen, und der Polizist hatte mal diesen und mal jenen Rentierdieb oder Schläger zur Urteilsverkündung vorgeführt. Delinquenten mit geringfügigen Vergehen waren sofort in den Stock gelegt worden, einen sogenannten Fußblock, befestigt mit großen Krampen, die in die Wandbalken geschlagen worden waren. Dort mussten dann die Sünder sitzen und vor aller Augen für ihre Vergehen büßen.
    Ein paar boshafte Lappenmädchen, etwa sechzehn Jahre alt, tauchten in der Hütte auf. Als sie sahen, wie Ragnar Lundmark den Fußblock inspizierte, stach sie der Hafer. Sie fingen an, ihm die Geschichte des Gebäudes und vor allem jenes Strafinstruments zu erklären, und sie baten ihn, sich zur Probe in den Fußblock zu setzen, was er auch brav tat. Daraufhin ließen sie die Schlösser zuschnappen und rannten kichernd hinaus. Einen Augenblick später kamen sie zurück, steckten Ragnar einen Dauerlutscher in den Mund und entfernten sich, wobei sie die Tür mit Nachdruck hinter sich zuschlugen.
    Schon die samischen Banditen vor hundert Jahren hatten nicht gern im Stock gelegen, und auch Ragnar machte es keinen großen Spaß. Er versuchte sich zu befreien, aber die alten, aus Balken gefertigten Fallen waren stabil und gaben nicht nach. Ragnar war gezwungen, still zu sitzen und darauf zu hoffen, dass ein Museumsbesucher käme und ihn aus der Misere befreien würde.
    Eine Stunde verging, und noch eine zweite. Gerade an diesem Tag stand das samische Museum nicht in der Gunst der Touristen. Ragnar Lundmark rief um Hilfe. Wäre das Joiken nicht schon vor Urzeiten erfunden worden, hätte es auf jeden Fall jetzt seine Geburtsstunde erlebt. Ragnar johlte aus vollem Hals, aber vergebens. Weder die Hilferufe noch das aufgeregte Joiken erreichten irgendeines Menschen Ohr. Das Mädchen an der Kasse im Eingangstor wunderte sich zwar ein wenig, was da aus der alten Blockhütte für Töne kamen, vergaß dann aber das Ganze, da sie die neueste Nummer ihres Lieblingsmagazins vor sich liegen hatte.
    Ernstere Auswirkungen der unverdienten Strafsitzung zeigten sich gegen Abend, als Ragnar das Bedürfnis verspürte, die Toilette aufzusuchen. Wie aber gelangt ein in den Stock gelegter Mann dorthin? Gar nicht. Ihm kam bereits der schreckliche Gedanke, dass er sich in seiner Not in die Hosen machen müsste. Es war fast sechzig Jahre her, seit ihm das zuletzt passiert war. Damals hatte ihm die Mutter ohne Murren eine neue Hose gegeben und ihm sogar noch einen Kuss auf die Wange gedrückt, gleichsam als Lohn für die gute Leistung. Jetzt aber war von der Mutter weit und breit keine Spur, denn sie war bereits vor zwanzig Jahren gestorben, wie übrigens auch der Vater. Und der verflixte Hermanni hatte nicht ins Museum mitgehen mögen, hatte angeblich genug von den Sámis.
    Hermanni Heiskari erwachte im Hotel aus seinem Mittagsschlaf und sah auf die Uhr. Wo in aller Welt steckte der Oberst? Er

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