Vom Himmel in Die Traufe
hervorgehoben, dass beim Einrenken der Hüfte geschickt vorgegangen worden war. Hermanni Heiskari errötete zufrieden, als er das hörte.
Beim Abendessen klagte Lena Lundmark, dass die Geschäfte – vor allem die der Werften – in letzter Zeit buchstäblich im Gegenwind gesegelt waren. Auch im Speditionsbereich gab es Schwierigkeiten, und Lena wusste gar nicht, wie es ihr gelingen sollte, ihren Besitz vor den gierigen Spekulationen ihrer räuberischen Konkurrenten zu schützen. Sie hatte große Risiken eingehen müssen, und eigentlich fehlte ihr die Zeit, quer durch Finnland irgendwelchen Pennern hinterherzureisen.
Diese Worte richtete Frau Lundmark an ihren Onkel, wobei sie entschuldigend ihre kleine Hand in Hermanni Heiskaris große Pranke schob. Sie speisten an diesem Abend geräucherte Rentierzunge mit geschmorten Steinmorcheln. Dazu wählte Ragnar einen anregenden italienischen Bardolino, den er seinerzeit auf einer Reise durch Norditalien gekostet hatte. Wie er sich erinnerte, stammte der Wein aus den Corvina- und Molinatrauben, die an den Hängen von Veneto wuchsen.
»Findet ihr nicht auch, dass ein leichter Hauch von Kirsche zu spüren ist? Ich würde sagen, dass sich sanfte Leichtigkeit mit nachdrücklicher Frische vermischt«, sinnierte er.
Da sich die Männer immer noch siezten, hielt es Lena Lundmark für ihre Pflicht, ihnen vorzuschlagen, endlich Brüderschaft zu trinken. Lena äußerte ihr Erstaunen, dass zwei Finnen, die den ganzen Sommer über gemeinsam gereist waren, Ende Juli immer noch so förmlich miteinander umgingen. Ragnar verteidigte die Linie, die er verfolgte, mit dem Hinweis, dass sich die Sitten in den nordischen Ländern, und durchaus auch in Finnland, in den letzten Jahren auf besorgniserregende Weise gelockert hatten, und vor diesem Hintergrund war es ganz natürlich, dass einige wenige Gentlemen Wert auf gutes Benehmen legten. Er sagte, dass er es irgendwie demütigend finde, geduzt zu werden, besonders wenn das Gegenüber etwa ein fünfzehnjähriges Mädchen sei. Ganz zu schweigen davon, was ein älterer Mensch sich noch so an Unverschämtheiten aus dem Munde Jugendlicher anhören musste.
Ragnar Lundmark sprach das Wort »Fotze« nicht aus, das seine ursprüngliche, an sich faszinierende Bedeutung vollständig verloren hatte, nachdem es Eingang in die Alltagssprache gefunden hatte. Hingegen konnte er nicht umhin, sein Erstaunen darüber auszudrücken, was die jungen Burschen mit ihren idiotischen Graffitischmierereien zu erreichen glaubten. Diese Art der Verschandelung der Umwelt hatte noch nicht einmal mehr etwas mit der für Jugendliche typischen Rebellion zu tun. Es hatte überhaupt keinen Sinn, war in seiner ganzen Dummheit einfach nur widerwärtig. Wenn jemand gegen die Gesellschaft rebellieren wollte, gab es dafür bessere Wege, wie etwa das Gedankengut eines Mannes wie Hermanni Heiskari.
Während des Abendessens gingen sie nicht näher auf Hermannis Aufstandsprojekt ein, denn alle drei begriffen, dass man das besser nicht in einem Hotelrestaurant besprach. Und so vereinbarten sie, dass die Männer Lena am folgenden Tag an einem abgeschiedenen Ort in das Vorhaben einweihen würden. Sie beschlossen, sich in die Natur Lapplands zu begeben, um das Kriegsgeheimnis zu lüften, zumal laut Meteorologen die Regenfälle nachlassen sollten. Für den nächsten Tag jedenfalls war endlich sonniges Sommerwetter angekündigt.
Ragnar bestellte noch am Abend in der Küche einen Picknickkorb für den nächsten Tag. Ferner bat er das Hotel, einen örtlichen Wildmarkführer zu beauftragen, an eine geeignete, besonders schöne Stelle in freier Natur trockenes Brennholz zu bringen, damit sie dort ihren Lunch einnehmen konnten. Zusätzlich zu dem Picknickkorb bestellte er noch ein Flipchart, einen Stapel Papier und mehrere Filzstifte aus den Beständen des Konferenzzimmers.
»Wir beabsichtigen, draußen am Busen der Natur einen kleinen Vortrag zu halten«, erwähnte er.
Nach dem Frühstück fuhren sie mit dem Taxi an den Junttijoki, etwa zehn Kilometer von Utsjoki in westlicher Richtung gelegen. Der Wildmarkführer hatte an einer höher gelegenen trockenen Stelle am Ufer ein fröhlich loderndes Feuer entzündet. Daneben standen ein Campingtisch und mehrere Zeltstühle. Etwas abseits war diskret ein Korb platziert, der kalte Getränke und für alle Fälle auch Mückenöl, Haushaltspapier und Feuchttücher enthielt. Auch ein paar Rollangeln waren da, die Blinker gleich dazu, und in einer
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