Vom Himmel in Die Traufe
dazu. Die beiden hatten Wodka gebechert, und zwar nicht wenig. Im beginnenden Rausch hatte Jussi mächtig auf den Putz gehauen und zu Stalin gesagt, hör zu, Generalissimus, du solltest den Finnen noch anständig die Reparationszahlungen erhöhen, damit in der Welt nicht von einem Kuhhandel gemunkelt wird, denn das ist nicht gut für Finnlands Ruf.
Stalin hatte den Hinweis ernst genommen und die Rechnung um hundert Prozent erhöht. Aber wie ja alle wussten, erwies sich das letztlich als Vorteil für Finnland. Der Maschinenbau und vor allem die Werftindustrie erlebten einen echten Aufschwung, und das Land wurde industrialisiert.
Als der Schmucke Jussi dann zu gegebener Zeit aus Moskau zurückkehrte, wurde sein Zug auf jedem finnischen Bahnhof von großen Volksmassen empfangen. Die Leute sangen vaterländische Lieder und Lobeshymnen, und die Bürgermeister hielten feierliche Reden. Auf dem Bahnhof in Helsinki hatte sich Juho Kusti Paasikivi höchstpersönlich eingefunden. Er war inzwischen von seiner Grippe genesen, hatte nicht einmal mehr Fieber. Paasikivi bedankte sich sehr bei Jussi für die ausgezeichnet geführten Verhandlungen. Wer einmal Russisch gelernt hat, der kann es für immer, darin waren sich beide einig. Wieder wurden Lieder gesungen, und Beifall gab es bis zum Überdruss. Alli Paasikivi überreichte dem Vertreter ihres Mannes einen Strauß Dahlien.
»Ohne den Schmucken Jussi hätten wir heute nicht diesen hohen Lebensstandard, und das trotz der Krise«, bestätigte der Fahrer. »Wir wären garantiert nicht EU -tauglich.«
In Siikaselkä betrat Hermanni Akseli Rotivaaras Hütte, es war ein ehemaliges Holzfällercamp, und Akseli wohnte in den Räumen der Chefs. Auf dem Hof vor der Hütte stand, auf mehreren Steinen, Hermannis Räucherkiste. Sie war außen völlig verrußt, also wohl fleißig benutzt worden.
Nach einer Weile kam Hermanni mit Akseli heraus, unter dem Arm trug er ein dickes Bündel maschinenbeschriebener Seiten und einen Stoß Landkarten. In der anderen Hand hielt er ein Büschel grauer Haare. Akseli hatte Tränen in den Augen. Er plapperte:
»Wir haben uns geeinigt, Hermanni und ich, dass ich bis Vuotso mitfahren kann. Er spendiert mir ein Bier.«
»Sozusagen als Dank für die Aufbewahrung des Manuskripts«, ergänzte Hermanni Heiskari.
Die Türen des Wagens knallten zu, und das neue Ziel hieß Vuotso.
15
Sie setzten Akseli Rotivaara in Vuotso ab, damit er Bier tanken konnte. Der Alte schwor, Hermannis Geheimnis für sich zu behalten, wünschte aber unbedingt als Reservist in die zu gründende Partisanenarmee eingezogen zu werden, immerhin verstand er zu kämpfen und troff außerdem vor Wut auf die hohen Herren. Hermanni knurrte nur, der alte Feldwebel möge seine Kriegsträume begraben und strikt die Klappe halten. Akseli erklärte, dass er immerhin noch zum Dienst in der Kleiderausgabe taugen würde, falls Not am Mann sein würde.
Ragnar gab anschließend zu bedenken, dass der Alte im Suff Hermannis Aufstandsprojekt verraten könnte, aber Hermanni machte sich darum keine Sorgen. Hier im Norden plante jeder Kerl die Revolte, wenn er ein paar Bier intus hatte. Auf dieses Gerede achtete sowieso keiner.
Hermanni und Ragnar fuhren im Taxi weiter nach Ivalo. Sie suchten ein Papiergeschäft auf, wo Hermanni drei Briefe schrieb.
»Zwei an die Söhne und einen an die Tochter«, erwähnte er Ragnar gegenüber.
Hermanni hatte also drei Kinder. Die fliegenden Gesellen hier oben im Norden schienen sehr potent zu sein, sagte sich Ragnar in Erinnerung an all die übertriebenen Geschichten von der Kinderschar des Schmucken Jussi.
Hermanni erzählte, dass er als junger Mann einige Jahre lang verheiratet gewesen war. Der Ehe entstammten eine Tochter und ein Sohn, und dann war noch ein Sohn außerehelich geboren worden. Alle waren bereits volljährig, hatten selbst Familie und kamen einigermaßen gut zurecht. Die Tochter hatte nach Schweden geheiratet. Hermanni schrieb an alle drei Kinder gleichlautende Briefe mit der traurigen Nachricht, dass seine Hütte abgebrannt, wahrscheinlich absichtlich in Brand gesteckt worden war. Dann teilte er ihnen mit, dass es ihm sonst prima gehe, dass er auf Tour sei und es ihm an Geld nicht mangele. Man hatte ihm freien Unterhalt für ein ganzes Jahr versprochen, dazu kostenlose Reisen samt Unterbringung in den besten Hotels, und zu alledem hatte er sogar einen persönlichen Butler zur Seite, einen gewissen Oberst Lundmark. Alles stand zum Besten. »Der
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