Vom Himmel in Die Traufe
Plastiktüte, die am Schaft befestigt war, steckten Eintagesangelscheine.
Thermosflaschen mit Kaffee und Tee befanden sich im Picknickkorb, aber für den Fall, dass sich die Ausflügler frischen Kaffee kochen wollten, standen neben dem Feuer ein Dreibein, ein rußiger Kessel und die dazugehörigen Gerätschaften bereit. Sogar ein breites Holzbrett war da, damit sie Lachs rösten konnten, falls ihnen das Anglerglück hold war.
Hermanni Heiskari und Ragnar Lundmark waren jedoch nicht an den Junttijoki gekommen, um zu angeln. Ragnar bat Lena und Hermanni, sich einen Sitzplatz am wärmenden Feuer zu suchen, dann holte er das Flipchart aus dem Gepäck, um es vor ihnen aufzubauen. In diesem Moment kam der Wildmarkführer mit einem Armvoll Holz aus dem Zwergbirkenwäldchen, um Ragnar beim Herrichten der Tafel zu helfen. Als das geschehen war, bedankten sich die Ausflügler bei dem Mann, und er ging zur Landstraße, stieg in seinen Geländewagen und fuhr davon. Er hieß im Übrigen Santeri Näljänkäläinen und war einer von Hermannis Kameraden aus dem Wildmarkführerlehrgang, allerdings hatte er damals mit besseren Ergebnissen abgeschlossen als Hermanni. Und hier trafen sie sich nun wieder, jetzt war Hermanni der Herr und Santeri der Diener.
»Hermanni und ich sind übereingekommen, dass ich als Erster das Wort ergreife, da ich mich als Außenstehender und in meiner Eigenschaft als Oberst mit diesen Plänen habe vertraut machen dürfen«, begann Ragnar Lundmark. Er deutete auf den Stapel maschinengeschriebener Blätter, der auf dem Campingtisch lag. Lena beschwerte die Blätter mit einem Stein, damit der Wind nicht die Originale und zugleich einzigen Exemplare der geheimen Kriegspläne über ganz Lappland verteilte.
Ragnar erzählte, dass er Hermannis Pläne sehr gründlich studiert habe. Er habe sie vorrangig aus militärischer Sicht geprüft und den politischen und ökonomischen Fakten weniger Beachtung geschenkt. Inzwischen, so bekannte er, begeistere er sich durchaus für den Aufstand der Arbeitslosen, obwohl er noch vor Kurzem von dem Gedanken einfach nur schockiert gewesen sei. Aber nachdem er sich näher damit befasst habe, habe er seine Meinung geändert. Auch wenn er nicht in allen Teilen hinter dem Projekt stehe, so halte er es doch im Großen und Ganzen für praktikabel. Insgesamt sei der Gedanke an einen Aufstand der Arbeitslosen außerordentlich gut motiviert. Zumindest dieser Krieg habe eine moralische Berechtigung, sofern es die für einen Krieg überhaupt gebe.
Ragnar wählte einen roten Filzstift und skizzierte auf dem Flipchart die Karte von Südfinnland.
»In den Plänen konzentriert sich das Hauptgeschehen des Aufstandes natürlicherweise auf den Süden des Landes, wo der Hauptteil der Bevölkerung wohnt und wo es auch zahlenmäßig die meisten Arbeitslosen gibt – ungeachtet dessen, dass beispielsweise in Lappland, Kainuu und Pohjois-Karjala in der Relation die höchsten Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen sind. Na schön, nehmen wir mal an, dass es in ein, zwei Jahren in Finnland weiterhin dreihundert- bis vierhunderttausend Arbeitslose gibt, von denen ein beträchtlicher Teil zu dem Zeitpunkt bereits Langzeitarbeitslose sind. Ihre Verbitterung und folglich die Proteststimmung nehmen zu, je länger die Perioden der Arbeitslosigkeit andauern. Also geht Hermanni davon aus, völlig zu Recht meiner Meinung nach, dass sich etwa siebzig bis achtzig Prozent der oben genannten Zahl mühelos für den Aufstand rekrutieren lassen. Das bedeutet eine Guerillaarmee von mindestens zweihundertfünfzigtausend Männern und Frauen.
Außer bei den Arbeitslosen ist der Gedanke an einen Aufruhr auch bei jenen anzunehmen, die vom Arbeitsleben ausgebrannt sind. Desgleichen müssen Abenteurer, Kriminelle, Geisteskranke und ausländische Freiwillige zu den aufrührerischen Elementen gezählt werden. Wenn man so rechnet, kommt man auf eine Armeestärke von fast einer halben Million. Das sind mehr Truppen, als Finnland seinerzeit in den Winterkrieg hatte schicken können. Natürlich sind die heutigen Arbeitslosen in ihrer Wehrfähigkeit nicht mit den Helden des Winterkrieges gleichzusetzen, aber auch der Gegner wäre ja nicht mit den Russen jener Zeit zu vergleichen. Jedenfalls wäre diese Armee weit größer als beispielsweise die Kriegstruppen von 1918 – gemeint sind die aufständischen Roten wie auch die weißen Truppen –, und sie wäre erheblich disziplinierter.«
Ragnar Lundmark markierte nun in der
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