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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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gegraben und mit Balken abgestützt worden, darin hatten die Waldgardisten jahrelang wie die Füchse in ihren Höhlen gelegen. Die Unterstände waren so niedrig, dass man in ihnen fast kriechen musste. Bestenfalls einige wenige Männer hatten darin Platz gehabt, insgesamt waren es vermutlich nur zehn, höchstens zwanzig Deserteure gewesen, die hier draußen gehaust hatten. Das Quartier war in seiner kargen Dürftigkeit wirklich erschütternd.
    Schweigend kehrten die Besucher nach draußen an die frische Luft zurück und setzten sich auf den versandeten Rand des Schützengrabens. Hermanni zündete sich eine Zigarette an und sog den Rauch tief in die Lungen. Dann sah er Ragnar bedeutsam an. Der bat den Taxifahrer, weiter draußen nach einer Stelle zu suchen, an der sie ein Lagerfeuer entzünden und einen Lunch einnehmen könnten. Der Mann machte sich mitsamt des Gepäcks auf den Weg, um auf dem Kahlschlag Reisig zu sammeln.
    Hermanni und Ragnar unterhielten sich über die harten Bedingungen eines Ödmarkkrieges. Der Kampf der Arbeitslosen würde unvermeidlich dazu führen, dass sich die Aufständischen in den Wäldern verstecken müssten. Deshalb war es gut, dass sie hergekommen waren und sich den Ort angesehen hatten, an dem jahrelang Männer gehaust hatten, die gänzlich auf milde Gaben der Dorfbewohner und auf Wildbret aus dem Wald angewiesen gewesen waren. Sie selbst wollten es im Hinblick auf den geplanten Aufstand besser machen und ein Handbuch herausgeben, das Instruktionen für das Einrichten von Schutzräumen und befestigten Basen in den Wäldern und Sümpfen enthielt.
    Es empfahl sich, den Volksaufstand im Januar zu beginnen. Zunächst würde man sich warmlaufen mit Demonstrationen, passivem Widerstand und Sabotage der verschiedensten Gesellschaftsfunktionen. Wenn dann der Aufstand im Frühjahr voll entbrannt wäre, würde der Staat versuchen, ihn mithilfe der Armee niederzuschlagen, und die Guerillakämpfer müssten in die Wälder flüchten, um sich dem Zugriff durch das Militär zu entziehen. Sofort nach der Schneeschmelze wären die besten Bedingungen gegeben, zur Waldtaktik überzugehen, die Kämpfer würden sich in den Schutz der Wälder zurückziehen, so wie einst während des großen Unfriedens die Flüchtlinge in ihre Verstecke, wie die Bauernfreischärler in den Ödwald oder wie im letzten Krieg die elenden Waldgardisten in unbewohnte Moorgebiete.
    Um dafür gewappnet zu sein, war es günstig, bereits ein Jahr vorher die entsprechenden Flucht- und Stützpunkte auszuwählen und mit genügend Waffen, Werkzeug und vor allem Proviant zu bestücken. Bis zum Sommer sollte man damit fertig sein, nur so war man auf das Kommende besser vorbereitet, als es jene Deserteure von Venejärvi gewesen waren.
    Hermanni und Ragnar schätzten, dass ihre Aufständischen weit mehr Sympathien in der übrigen Bevölkerung genießen würden als die Waldgardisten im letzten Krieg. Die Zivilbevölkerung würde sie freiwillig verpflegen und schützen, ähnlich wie sie es Anfang des Jahrhunderts mit den Jägern gemacht hatte, die sich auf geheimem Wege nach Deutschland durchgeschlagen hatten. Arbeitslose ließen sich kaum als Feinde des Volkes betrachten, und ihr Aufstand würde wahrscheinlich auf breites Verständnis stoßen.
    Wie dem auch sei, Bürgerkriege waren von allen Kriegen die grausamsten. Beim geplanten Aufstand der Arbeitslosen handelte es sich um einen neuartigen Klassenkrieg, in dem die bisherigen politischen Ideologien ausgedient hätten. Die Zweiteilung des Volkes in Reiche und Gutsituierte einerseits und Arme und Benachteiligte andererseits war heute das Hauptproblem, das nach einer handfesten Lösung verlangte. Falls die Massenarbeitslosigkeit immer weiter anhalten würde, hätte das eine verheerende Wirkung auf die Lebenskraft und die Moral des Volkes. Hermanni erklärte, dass laut seinen Berechnungen allein wegen der Arbeitslosigkeit jährlich Tausende Menschen in Finnland starben. Der Klassenkrieg wurde schon jetzt geführt, jeden Tag, auch wenn kein Mensch von Verlusten oder Frontlinien sprach.
    Ragnar Lundmark holte den Laptop aus dem Rucksack, öffnete ihn und stellte ihn auf den Rand des Schützengrabens. Er wählte das Tabellenkalkulationsprogramm und tippte Hermannis Gedanken und Äußerungen ein.
    »In Finnland begehen jährlich tausendfünfhundert Menschen Selbstmord. Das sind siebenhundert arme Teufel mehr als zu normalen Zeiten, und gerade sie tun es wegen der Arbeitslosigkeit«, rechnete Hermanni

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