Vom Himmel in Die Traufe
Familie. Vater und Mutter in mittleren Jahren, zwei schulpflichtige Kinder sowie die Großeltern, die Ragnar noch aus früheren Zeiten kannte. Dann gab es noch zwei Lehrer, eine Frau und einen Mann. Eigentliche Lektionen wurden nicht abgehalten, der Unterricht erfolgte durch Gespräche. Es wurde ausschließlich Englisch gesprochen, und anfangs verstand Hermanni nicht viel von den Unterhaltungen. Mit dem Frühstück ging es los. Lehrer und Schüler bedienten abwechselnd. Das Essen wurde im Speisesaal serviert, an sonnigen Tagen konnte es auch auf der zum Garten hin gelegenen Terrasse eingenommen werden. Der Lunch wurde im Haus verzehrt, und dabei wurde über das Essen und das Wetter gesprochen, worüber auch sonst. Auch beim Abendessen war man noch beisammen und übte sich weiter in der Sprache. Zwischen den Mahlzeiten wurden die Schüler, es waren nur zehn, in zwei, drei Gruppen eingeteilt und gingen dann zum Picknick in den nahen Park oder sogar zum Sonnenbaden an die Kanalküste. Einmal machten alle zusammen eine Exkursion und fuhren durch den Tunnel nach Calais auf französischer Seite. Dort wurde dem russischen General seine kleine Taschenkamera gestohlen, mit der er die ganze Zeit eifrig geknipst hatte. Besonders bekümmerte ihn, dass der Film weg war. Also kaufte er eine neue Kamera samt Film, und die ganze Gesellschaft musste sich mehrmals zu neuen Fotos aufstellen. Auf jeden Fall diente es der Wortschatzerweiterung im Bereich Fotografie.
Zwei Wochen lang paukte Hermanni Englisch aus Leibeskräften und glaubte schon nicht mehr daran, dass er die Sprache so lernen würde wie die anderen Teilnehmer, aber dann geschah ein Wunder. Eines Morgens begann er ganz fließend zu reden. Er servierte seinen Mitschülern Rührei und Schinken und stellte auf Englisch mit seinen eigenen Worten Betrachtungen über das aktuelle Wetter an, ob es an diesem Tag Regen geben würde oder worauf der windige Morgen wohl sonst schließen ließe.
Hermanni Heiskari hatte Englisch gelernt! Der Wortschatz war noch bescheiden, aber der Schüler besaß jetzt den nötigen Eifer, ihn zu erweitern. Hermanni schrieb jeden Tag eine lange Liste englischer Wörter und Redensarten sowie die Konjugation der unregelmäßigen Verben in sein Notizbuch. Er machte rasche Fortschritte, und nach einem Monat sprach er schon einigermaßen fließend. Er sprach die Worte mit ausländischem Akzent aus, aber Ragnar fand das unerheblich. Die Hauptsache war, dass Hermanni nicht Cockney, den Slang der Arbeiter und Straßenjungen, sondern richtiges, echtes Herrschaftsenglisch sprach.
Nach dem Abendessen wurden im Allgemeinen keine Sprachstudien mehr betrieben. Diese Freizeit verbrachte Ragnar Lundmark damit, Hermanni die Gesellschaftstänze beizubringen. Zunächst versuchte Hermanni sich dem zu entziehen, er behauptete, dass er den Tango so weit beherrsche, wie es für die Bedürfnisse eines gewöhnlichen Holzfällers nötig sei, aber Ragnar ließ keine Ausflüchte gelten. Er hatte Lena Lundmark versprochen, dass sich Hermanni vor Ablauf eines Jahres zum perfekten Gentleman gemausert hätte.
Sie vereinbarten, dass Ragnar, außer als Lehrer, auch als Dame fungierte und dass Hermanni führte, allerdings nach den Anweisungen des zu Führenden. Ragnar hatte einen CD -Player und ein paar Scheiben mit Tanzmusik gekauft, den Kurs veranstalteten sie in seinem Zimmer. Sie rollten den Teppich auf und schoben ihn an die Wand, Ragnar legte den Tango La Cumparsita auf und knickste vor Hermanni, der leicht geniert mit ihm über das Parkett des Hotelzimmers stampfte. Sie vollführten ein paar Schritte und Drehungen, bei denen Hermanni versuchte, seinen Butler im Rhythmus der betörenden Tangoklänge herumzuschwenken. Doch dieser machte das nicht lange mit. Er schaltete die Musik aus und sagte trocken, dass er noch nie so grässlich bei einem Tango herumgeschlurft sei. Es gebe gute Gründe, dass Hermanni richtig tanzen lernte.
Sie begannen mit dem Walzer.
Ragnar zeigte seinem Schützling, wie er sich seiner Dame – in diesem Falle also Oberst Lundmark – höflich nähern, drei Schritte vor ihr verharren, ihr in die Augen sehen, sich leicht verbeugen und sie so zum Tanz auffordern sollte. Anschließend wurde die sogenannte geschlossene Tanzposition eingenommen. Dabei musste Hermanni über die rechte Schulter des Oberst blicken, sein linker Arm sollte erhoben, der Ellenbogen angewinkelt und die Hand ungefähr auf Höhe der Augen sein. Die rechte Hand wiederum sollte unter dem
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