Vom Himmel in Die Traufe
bereits in meinem letzten Fax berichtete, haben wir den Herbst in Hampshire verbracht. Hermanni Heiskari hat gewissenhaft sowohl Englisch als auch die Gesellschaftstänze geübt und in beiden Fächern befriedigende Fähigkeiten erlangt, im Quickstepp sogar gute, würde ich sagen.
In der Zeit, da Hermanni Englischunterricht hatte, habe ich weiter an den Plänen für die Revolte gefeilt. Mit der Zeit habe ich mich mehr und mehr für den Gedanken eines Volksaufstandes erwärmt, der mir immer vernünftiger erscheint. Wenn die Arbeitslosigkeit in diesem Ausmaß noch lange andauert, gebiert sie einen passiven Bodensatz, der das ganze Volk von innen her faulen lässt.
Ich habe ein fast hundert Seiten umfassendes Handbuch über Feldbefestigung verfasst, in dem ich detailliert und anhand von Zeichnungen erkläre, wie Unterstände gegraben und wie in Sümpfen und Einödgebieten Wachposten aufgestellt werden. Bei dieser Arbeit habe ich finnische militärtaktische Studien genutzt, die ich mir aus der Bibliothek der Militärhochschule habe kommen lassen. Ich beabsichtige, in Erweiterung von Hermannis Plänen noch mehr solcher Handbücher zu schreiben, die zu gegebener Zeit als Broschüren gedruckt, in riesigen Billigauflagen herausgegeben und vor dem Aufstand den Zellen der Arbeitslosen per Post als Schulungsmaterial zugeschickt werden können. Gebraucht werden nach meiner Auffassung mindestens ein Handbuch für den Stadtkrieg sowie weitere für die Informationstechnologie, die Kriegsökonomie und die Guerillataktik. Hermanni und ich sind uns darin einig, dass wir bei der Führung des Volksaufstandes außer den herkömmlichen Medien auch neue Informationskanäle nutzen müssen, wie etwa das Internet und Satellitenübertragungen. Die kann der Gegner nicht so schnell zum Schweigen bringen wie beispielsweise die Presse. Illegale Datenübermittlung ist dank der neuen Technik billiger als je zuvor, und sie lässt sich nicht wirksam überwachen geschweige denn zensieren.
Hermanni und ich haben abgemacht, dass wir die eben erwähnten Handbücher im Laufe dieses Herbstes und Winters verfassen, und falls wir die Finanzierung sichern können, lassen wir sie drucken und bei passender Gelegenheit an sämtliche Arbeitslose in Finnland verschicken. Die Adressen können wir beim Arbeitsamt kaufen, und der Inhalt der Postsendung braucht ja vorab keiner Behörde vorgelegt zu werden. So können wir also sowohl die Mobilmachung als auch die militärische Schulung der künftigen Guerilla-Armee ganz einfach realisieren, indem wir die existierenden Kanäle für Direktwerbung nutzen. Wenn zu Beginn der menschlichen Zivilisation die Kriegstruppen durch eine von Dorf zu Dorf weitergereichte Botschaftsstafette oder durch Rauchzeichen von Hügel zu Hügel rekrutiert wurden, so braucht man heutzutage nur einen entsprechend hohen Werbeetat, um Hunderttausende potenzieller Aufständischer zu erreichen und die Revolte in Gang zu setzen.
Das war es dann auch schon mit den guten Nachrichten. Leider muss ich berichten, dass Hermanni Heiskari vorige Woche anfing zu trinken und seither eine Menge kleiner und vor allem großer Schwierigkeiten verursachte. Alles begann damit, dass ich nach Abschluss des Tanzkurses unseren werten Holzfäller in die Welt der kultivierten Gesellschaftsspiele einführen wollte. Meine Absicht war, ihm Bridge beizubringen, aber was soll ich dir sagen, auf die ihm eigene hinterlistige Art konnte er mich dazu verleiten, anstelle von Bridge irgendeine volkstümliche Abart von Poker mit ihm zu spielen. Du kennst meine alte Schwäche für Rouletttische und Spielhöllen, also wird es dich nicht verwundern, dass ich der Verlockung erlag. Hermanni spielte zunächst mit kleinen Einsätzen und ließ mich gewinnen, und als er mich erst mal unter seiner Fuchtel hatte, nahm er mich Abend für Abend aus. Ich muss beschämt eingestehen, dass die ganze Reisekasse an ihn überging. All das Geld, das du uns edelmütig geschenkt hast, nutzte er jedoch nicht für seine eigene Weiterentwicklung, sondern, wie ich vorhin erzählte, einfach zum Saufen. Ich erspare dir die Einzelheiten, die deinem Auserwählten nicht zur Ehre gereichen. Wie auch immer, Hermanni Heiskari erklärte, dass er von Sprachstudien und Tanzkursen genug habe und dass ihm überhaupt das aus seiner Sicht oberflächliche ›geckenhafte Getue‹ zum Hals heraushänge. Er zwang mich, mit ihm hierher nach Dublin zu reisen, wo es angeblich das beste Bier der Welt gibt, und das hat er in
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