Vom Kämpfen und vom Schreiben
geweigert, mir eine Außenrolle in die Haare föhnen zu lassen.
Kurz danach meldet sich der Bayerische Rundfunk und will für eine Familiensendung bei uns drehen. Der NDR übernimmt die Reportage des WDR und sendet sie im Februar.
Von allen Sendungen haben wir, finanziell gesehen, nichts. Es gehen aber Bücher, ja, Kamilla sagt, es liefe ganz gut.
In der Adventszeit bin ich mit meinem großen Sohn zwei Mal im Einkaufscenter zum Lesen engagiert. Es gibt dafür vierhundert Mark, ein Vermögen! Wir sitzen am langen Samstag jede Stunde für zwanzig Minuten auf einer Bühne an exponierter Stelle, gegenüber der »Fressmeile«. Hinter uns ein roter Glitzervorhang, rechts und links künstliche Tannenbäume mit künstlichem Schnee, vor uns kauende Passanten, die ein paar Minuten stehen bleiben, uns optisch an dem teilhaben lassen, was sie mit offenem Mund essen, und dann weitergehen. Mein Sohn ist verzweifelt: Immer wieder kommen Klassenkameraden vorbei, die ihn dort auf der Bühne sehen und eine Kindergeschichte ins Leere lesen hören.
»Komm, Schatz, wir sind Profis und ziehen das jetzt durch, und heute Abend bekommst du fünfzig Mark!«, tröste ich ihn.
So etwas will ich nie wieder machen: Lesen, wenn keiner meinetwegen kommt, das ist demütigend.
Dabei geht es gerade richtig rund. Ich unterschreibe mit meinem dritten Verlagsvertrag den zweiten Vertrag beim Kajaki-Verlag, für die Satiren. Taschenbuch, Erstauflage diesmal nur fünfhundert Stück. Kamilla findet die Texte zwar gut, ist sich aber nicht sicher, ob Satiren sich verkaufen werden. Titel, Cover, Klappentext, Werbung und Pressetext gestalte ich selbst.
Für das Cover kann ich einen befreundeten Kunstmaler gewinnen: Er entwirft ein Motiv, das mich total begeistert: eine Collage aus rosa Blümchentapete und einem Rosenbild, davor hält sich ein Gartenzwerg den Mund zu und blinzelt zu einem Ölgemälde mit röhrendem Hirsch. Kamilla Jansen drückt ihm dafür einen Hunderter in die Hand.
Ich frage in der Bank, deren Marketingmitarbeiter ich kenne, bei einem Unternehmer, den ich seit der Schulzeit kenne, und in der Druckerei bei uns nebenan, ob sie mich unterstützen mögen: Wenn jeder garantiert fünfzig Bücher kauft – die zum Beispiel als signierte Werbegeschenke überreicht werden können –, werden sie im Buch namentlich als Unterstützer genannt. Alle drei gehen darauf ein, und so sind sofort hundertfünfzig Stück verkauft.
Ich organisiere für Mitte November eine Buchpremiere im Begegnungszentrum unserer Stadt. Die Zeitungen ziehen wieder mit und kündigen mich groß an. Hundert Einladungen versende ich auf eigene Rechnung per Post oder verteile sie, wenn ich für die Zeitung auf Termin bin. Vom Cover lasse ich Plakate drucken und mit einer Banderole versehen. Darauf schreibe ich mit Filzstift Ort, Zeit und Datum der Buchpremiere. Ich verteile die Plakate in der ganzen Stadt.
Ruckzuck ist November 2001, und es passiert das Schlimmste, was ich mir vor einer Premiere vorstellen kann. Ich habe Fieber, heftige Halsschmerzen und schlimmen Husten, meine Stimme bleibt fast weg. Am Tag vor der Premiere liege ich mit Schüttelfrost im Bett, Hardy macht mir stinkende Halswickel mit gekochten Zwiebeln in feuchten Handtüchern, er flößt mir fette, salzige Hühnersuppe ein, verordnet mir Fieberzäpfchen. Ich heule den ganzen Tag.
Und stehe am nächsten Abend auf der Bühne.
Achtzig Leute sind zur Premiere gekommen.
Es ist ein Familienprojekt: Hardy spielt Musik ein, der Kleine bringt mir Tee und Emser Pastillen und achtet darauf, dass die Fenster geschlossen sind und ich keinen Zug bekomme. Sein älterer Bruder liest wieder eine der Geschichten vor.
Der Literaturkurs des Gymnasiums führt einen meiner Texte als Sketch auf: Es geht um einen wehleidigen Typen, einen Hypochonder, wie ihn offenbar viele kennen. Die Leute lachen bei jeder Szene, und als eine Frau ruft: »Das ist ja unser Dieter!«, müssen die Darsteller auf der Bühne so sehr lachen, dass sie eine Pause machen. Ich lese danach ohne Stottern und Husten und das Publikum applaudiert begeistert. Nachher signiere ich etliche Bücher, die Kamilla Jansen am Stand im Foyer verkauft. Nach der Lesung falle ich zu Hause ins Bett und schlafe vierundzwanzig Stunden durch.
Von Lokalprominenz wird keiner satt
Im Februar 2002 dreht der neue lokale Fernsehsender TV NRW eine Lesung mit mir. Der Sender will eine Kulturreihe etablieren und hat noch nicht viel Geld dafür zur Verfügung. Das erste Projekt:
Weitere Kostenlose Bücher