Vom Kämpfen und vom Schreiben
werde ich kostenlos in dem Fünf-Sterne-Hotel, und vor allem bekomme ich das Honorar, das ich verlange. So macht das Arbeiten Spaß.
Die Idee der Veranstaltung gefällt mir: Die Malerin stellt ihre Bilder auf den Hotelfluren und in einigen Zimmern aus. Leider kommen nur knapp dreißig der geladenen Gäste.
Außer mir ist eine Sängerin für das Rahmenprogramm engagiert, sie nennt sich Hügelin Berger. Hügelin fällt mir schon am Nachmittag beim Soundcheck im Foyer auf. Sie hat sich eine blaue Strähne in die feuerroten, langen Locken gefärbt. An Hügelins Seite ist stets ihr Lebensgefährte Manni: ein maskuliner Typ mit asymmetrischer Kurzhaarfrisur, Cargohose und Turnschuhen. Am Abend müssen wir unsere Auftritte improvisieren, denn statt wie geplant vor tausend Leuten im großen Saal treten wir neben dem Fahrstuhl im Foyer auf. Die Zuschauer, inklusive Hotelpersonal etwa vierzig, sitzen und stehen um uns herum.
Hügelin hat eine schöne Stimme und singt deutsche Chansons aus den zwanziger Jahren. Wir wechseln uns ab: Sie singt zwei Lieder, ich lese eine Satire. Das macht uns beiden so viel Spaß, dass der Funke schnell aufs Publikum überspringt. Die Leute sind verrückt: Erst gegen Mitternacht lassen sie uns gehen.
Hügelin wirkt professionell, und später erzählt sie mir, dass sie seit dreißig Jahren auftritt. Ich wundere mich und denke, dass jemand mit einer so beeindruckenden Stimme längst ein Star sein müsse. Hügelin sagt, der große Durchbruch stehe noch aus, der komme noch, sie sei da ganz sicher. Sie erzählt mir aus ihrem schweren Leben. Ich höre ihr lange zu, und am Ende findet sie, dass wir uns toll unterhalten haben.
Irgendwann sagt Hügelin, wir müssten unbedingt mal was zusammen machen. Die Idee hat schnell einen roten Faden: Es soll so ähnlich ablaufen wie dieser Abend hier im Hotel.
Als wir feststellen, dass wir derselbe Jahrgang sind und 2010 beide fünfzig Jahre alt werden, umarmen wir uns und verabreden uns für Oktober, um uns etwas Konkretes auszudenken.
Zu Hause sehe ich mir Hügelins Webseite an, auf der sie sich als »große Chansonette« bezeichnet. Ich recherchiere ein bisschen und wundere mich, dass sie nie eine eigene CD produziert hat. Aber: Sie kann wirklich singen, das habe ich selbst gehört, und sie ist nett. Also entwerfe ich einen Plan und schreibe ein Konzept.
»Fifty Fifty« soll das Programm heißen, schön doppelsinnig, weil wir fünfzig werden und uns das Programm quasi teilen. Ich bin hochmotiviert. Zwei Künstler erreichen doppelt so viele Interessenten, denke ich, zwei Künstler haben doppelt so viele Kontakte, zwei Künstler haben doppelt so viele Ideen. Bei unserem Treffen im Oktober trage ich Hügelin das Konzept vor, und sie ist einverstanden. Wir sind uns einig, dass wir Fotos und Plakate brauchen, dass wir viel Werbung machen müssen, und dass wir uns beide um Engagements bemühen wollen.
Leider haben wir beide kein Geld für »richtige« Werbung.
Zufällig kenne ich jemanden, der im Vorstand eines Kölner Theaters arbeitet. Ihm erzähle ich von »Fifty Fifty«, er findet das Programm klasse und wir werden für April 2010 engagiert. Ich schicke Hügelin den Vertrag zu.
Nach der WDR-Reportage habe ich Lust, wieder als Journalistin zu arbeiten. Und weil ich inzwischen mitten in den Wechseljahren bin und mir die Symptome schwer zu schaffen machen, denke ich über Filmporträts von Frauen in den Wechseljahren nach.
Weil die Produktionsfirma mit meiner Arbeit beim Drehen der Sparreportage zufrieden war, schlage ich das Thema dort vor. Sieben Zusagen potenzieller Interviewpartnerinnen habe ich innerhalb einer Woche schriftlich. Es sind Frauen, die in ganz unterschiedlichen Situationen leben und ihre Wechseljahre unterschiedlich erleben.
Auch Marita sagt zu. Sie habe ich als Erste gefragt, denn sie ist immer noch arm, immer noch nicht ausgewandert, immer noch alleine, immer noch unglücklich. Aber sie besitzt inzwischen eine Digitalkamera, hat Fotokurse bei der VHS mitgemacht und will als Fotografin arbeiten. Das soll ihr neues Standbein werden. Sie hat eine eigene Homepage entworfen, auf der sie sich vorstellt, ein paar ihrer Fotos zeigt und auch auf ihre alten Bücher verweist.
Die Produktionsfirma gibt mir das Okay für den Frauenfilm: Tolle Idee! Ich soll nun ein Konzept erstellen, einen Interviewplan entwerfen, Drehorte vorschlagen. Der Chef der Produktionsfirma will sich um den Verkauf des Konzepts kümmern. Das könne ein paar Monate dauern,
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