Vom Kämpfen und vom Schreiben
schließe ich die Tür zum Büro, schalte die Musik aus und wähle forsch. Um sofort wieder aufzulegen. Beim zweiten Mal klopft mein Herz lauter, als das Freizeichen im Hörer tutet.
Die erste Frage des Agenten: »Genre?«
Natürlich ein Roman. Zeitgeschehen.
»Literatur oder U?«
Ich nehme an, dass er mit U Unterhaltung meint. Also U.
»Krimi? Thriller? Psychothriller? Historischer Roman? Frauenroman? Leichter Frauenroman? Komödie?«
Ja, Herrschaftszeiten! Ich bin wütend. Ich suche einen Agenten, damit der mir sagt, was ich tun und lassen muss. Das ist doch der Job eines Agenten, oder nicht?
Dann bin ich einsichtig: Okay, zuerst muss man in eine Schublade passen. Das ist nun mal so, also suche ich nachher mal meine Schublade.
Dann bin ich verzweifelt und heule. Ich kann das nicht, ich will das nicht. Ich bin schlecht am Telefon.
Dennoch klingt mir dieser Satz des überlasteten Agenten im Ohr: Ein gutes Buch findet immer seinen Weg. Na also. Dann wird es schon klappen. Denn es ist ein gutes Buch. Ich rufe die nächste Agentur an.
Ja! Die wollen das Übliche: Vita, Leseprobe, Exposé, Bibliografie. Ein kleiner Schritt nach vorn, aber kein Grund zum Feiern: Die haben nämlich gar nicht gefragt, was ich geschrieben habe. Der dritte Agent geht nicht ans Telefon. Und jetzt gehe ich nicht mehr ans Telefon. Ich hab Schiss. Ich kann das nicht. Ich werde das nie können. Ich suche mir einen Nine-To-Five-Job. Ich schreibe nicht mehr. Ich mach was Bodenständiges. Ja, das ist das Beste. Diese Ochsentour muss ich mir nicht antun. Oder? Morgen versuche ich es noch mal. Einmal versuche ich es noch.
Selbstverständlich wäre es nicht gut für mein Image, wenn ich öffentlich erzählte, dass ich im Moment nicht gut drauf bin. Das gehört nicht in den Blog – und wäre sowieso gelogen, eine hanebüchene Verniedlichung. Mitunter würde ich mich gern zurückziehen, nichts mehr schreiben, mein Guerillamarketing einstellen und als Aushilfe in einer Boutique arbeiten, so wie es Millionen Frauen in meinem Alter tun.
Grund dafür, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten öffentlich bleibe, ist nicht zwingend Selbstvertrauen, sondern die Angst, vergessen zu werden. Wenn keiner weiß, dass es mich gibt, liest auch keiner meine Bücher.
Ich behaupte, dass jeder Künstler einen inneren Motor hat, etwas, das ihn antreibt, ein Defizit, etwas Fehlendes, eine große Sehnsucht, die er mit seiner Kunst vielleicht erfüllen kann. Ich glaube, dass die meisten Künstler ein besonderes, großes Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung haben. Kehrt ein normal tickender Mensch sein Innerstes nach außen, legt seine Seele bloß, gibt sich auf der Bühne preis, hungert für seinen Traum und lebt für ein Publikum, das er sich erst suchen muss? Warum will man den Applaus? Warum fühlt sich jemand berufen, zu erzählen? Warum legt ein Sänger seine Gefühle in seine Stimme? Warum ist ein Schauspieler ohne Publikum ein Niemand, ein Schriftsteller ohne Leser bloß ein Schreiber? Warum ist ein Künstler, der nichts von sich preisgibt, nicht überzeugend? Warum kann man mit tausend Rückschlägen leben, solange man den Traum vom Erfolg bewahrt? Wie kann ich mir meine Sensibilität bewahren und mir trotzdem weiterhin ein dickes Fell wachsen lassen?
Ein Kampfschwein bin ich immer noch. Als freischaffender Autor muss man das sein, ein Kampfschwein, denn es fällt einem nichts in den Schoß, und geschenkt wird einem schon gar nichts. Ich erinnere mich an den Satz von Marita, als mein zweiter Roman erschienen war: »Jetzt kannst du dich zurücklehnen und dich feiern lassen.«
In meinem Blog erzähle ich davon, wie es zu meinem neuen Buch kam, von der Idee über die Korrektur und den Beginn der Agentensuche bin ich offen und ehrlich. Dann ruht das Thema.
Solange ich keinen Agenten oder Verlag habe, der von dem Buch genauso begeistert ist wie ich, wird das auch so bleiben. Wenn ich das neue Buch nicht verkaufen kann, wenn es kein Verlag haben will, werde ich es berichten, aber alles zu seiner Zeit. Diese Situation, dieses Warten auf Antwort, deprimiert mich, auch, weil ich immer alles und immer alles sofort möchte.
Der Bestsellerautor Peter P. findet in unserer Korrespondenz die Worte, die wie ein Arschtritt auf mich wirken: »Das einzige, worauf ein Autor alleinigen Einfluss hat, ist sein nächstes Buch.«
Jawohl. Da hat er recht. Und deswegen lasse ich mich nicht feiern, es gibt auch gar keinen Grund, sondern ich reiße mich zusammen und tue das,
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