Vom Kämpfen und vom Schreiben
nicht, wie ich darauf reagieren soll. Sagt mir jemand, er habe mein Buch gelesen und es habe ihm nicht gefallen, okay. Damit kann ich umgehen. Sagt mir jemand, er habe alle meine Bücher gelesen und sie haben ihm nicht gefallen, muss ich lachen. Die Verfasser dieser Verrisse kann ich nur damit trösten, dass ich noch Einiges in meiner Schublade habe, das noch nicht veröffentlicht wurde – und Einiges veröffentlicht, das zu Recht nicht erfolgreich ist. Die Kindergeschichten zum Beispiel, die finde ich heute viel zu pathetisch und betulich, und irgendwie strotzen sie aus meiner heutigen Sicht vor Sendungsbewusstsein.
Ich arbeite fieberhaft am »Rattenfang«. Nebenher lese ich Schreibratgeber und Autorenbiografien, die mich oft verunsichern und manchmal anregen. Manche Weisheiten klingen leicht, sind aber schwer umzusetzen. Hemingway sagte, man solle seine Lieblinge töten, und des Schreibers Lieblinge seien seine Wörter. Auch die neue Version von »Rattenfang« kürze ich um siebzig Seiten. Deren Inhalt finde ich zwar wichtig und interessant, aber da er weder die Handlung vorantreibt noch Informationen enthält, die unentbehrlich wären: raus. Ich habe ein paar Lieblinge getötet. Und ich bin ganz erstaunt, dass sich nun alles viel flüssiger liest, mehr Tempo hat und irgendwie runder ist. Also: Die ersten dreißig Seiten von Version drei sind geschafft.
Meine Stimmungen fahren Achterbahn. Natürlich bin ich inspiriert. Woher soll sonst dieses vermessene Vorhaben kommen, ein weiteres Buch zu schreiben?
Ich bin motiviert. Weil ich weiß, wie glücklich es mich macht, wenn eines Tages jemand zu mir sagt: »Ich habe Ihr Buch gelesen, und es hat mir gefallen!«
Ich bin diszipliniert. Jeden Tag fünf Stunden Korrektur, Recherche, Entwürfe, Schreiben. Früh aufstehen, früh anfangen, nicht aufhören, bevor das Tagespensum geschafft ist. Ja, und? Die meisten Menschen in Deutschland arbeiten acht Stunden am Tag. In diesem Sinne: Da hilft kein Lamentieren, ab an die Arbeit.
Es kommen viele Mails mit Fragen zum neuen Buch. Worum es denn darin ginge, ist die häufigste Frage. Ich versuche so zu antworten, dass die Blog-Leser neugierig bleiben, aber dennoch nichts Konkretes zu verraten. Es wäre fatal, wenn mir jemand die Idee klauen würde, bevor ich dieses Buch veröffentlicht habe.
Die meisten Besucher meines Blogs sind »wiederkehrende« Leser. Ich muss ihnen etwas bieten, damit sie meine Beiträge abonnieren. Ich blogge also nicht nur über meinen Schreiballtag, sondern auch über Zweifel und Erfolge, über Bücher, die ich lese, über Zeitungsartikel.
Die meisten Klicks und die meisten Kommentare bekommt ein zackig gereimtes Gedicht mit dem Titel »Mein letzter Wille«. Ich hab es vor etlichen Jahren geschrieben und nie daran gedacht, es zu veröffentlichen. Na super. Und die Leute finden das gut? Wenn sie sich für meinen Roman später genauso interessieren, ist es ja gut.
Ich komme gut voran. Ich programmiere mich durch Musik: New Order, Robert Palmer, Police, Falco, Tears for Fears – wie lange hab ich das nicht gehört. Immer wieder dieselbe Liste, sechzig Songs. Sobald der erste beginnt – zufällige Wiedergabe — geht es los. Die Musik führt mich auf eine Zeitreise, weit weg von unserer Terrasse in Köln, auf der ich bei diesem Wetter arbeite, zurück in die Jahre von 1985 bis 2000, in eine Zeit, in der große Konzerne kleine Leute mit einfachen Mitteln fangen, verführen und ins Verderben stürzen konnten.
Manchmal bin ich ganz steif, wenn ich stundenlang am Rechner gesessen habe. Mein Kopf schmerzt, der Rücken tut weh, die Knie knacken, meine rechte Schulter ist verspannt. Ich muss auf meine Haltung achten, unbedingt für Bewegungsausgleich sorgen. Nie in meinem Leben konnte ich mich für Sport begeistern, aber jetzt bin ich über fünfzig. Ich muss etwas tun. Also gehe ich zweimal in der Woche schwimmen.
Und hier werden mir quasi nebenbei neue Satiren auf dem Silbertablett präsentiert: Einmal sind es ältliche dicke Damen, die sich zum Frisurenschwimmen verabredet haben. Mit Perlen im Ohr und tadelloser Betonfrisur halten sie mit verkniffenen Mündern die Köpfe über Wasser. Da passt das Badetuch farblich zum Nagellack und die türkisfarbenen Flip-Flops mit Puschel zum fröhlichen Rosa-Türkis der Bademode. Ich notiere zu Hause meine Beobachtungen und nehme mir vor, bald ein paar neue Jesses-Maria-Geschichten zu schreiben.
Gewissenhaft füttere ich mein Blog täglich mit Artikeln. Ein Kollege,
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