Vom Kämpfen und vom Schreiben
was jemand, der sich Schriftsteller nennt, tun muss: ein neues Buch schreiben. Okay. Sobald ich eine Idee habe, werde ich das tun.
Zwischenzeitlich fallen mir beim Umräumen meines Arbeitszimmers alte Verlagsverträge in die Hand. Da ist ja noch das Geschichtenbuch, an dem ich vor vielen Jahren mit den Kindern aus dem Gymnasium gearbeitet hatte, und das im Lübbecker Terminus Verlag neu aufgelegt wurde. Ich habe nie eine Abrechnung von diesem Verlag bekommen, nie einen Cent gesehen. Ich sehe mir die Webseite des Verlags an: Es gibt ihn noch, und auch mein Buch ist noch im Programm.
Laut Vertrag vom Juni 2002 sollte die erste Honorarzahlung nach dem Verkauf von zweihundert Exemplaren erfolgen. Ich kann davon ausgehen, dass inzwischen mehr als zweihundert Bücher verkauft wurden, und wenn nicht, dann liegt das nicht an mir, sondern am Verlag. Ich habe keine Lust und kein Geld, um mich zu streiten, aber die Rechte an meinen Texten, die möchte ich wiederhaben. Vielleicht kann ich die Geschichten überarbeiten und neu vermarkten.
Ich schreibe einen Brief an den Verlag und bitte darum, den Rückfall der Rechte an mich zu bestätigen. Zudem bitte ich um eine verbindliche Erklärung, ob der Verlag die Nutzung des Verlagsrechtes weiterhin beabsichtigt. Das verstehe ich alles nicht wirklich, aber ich habe mich im Internet darüber informiert, wie man die Verlagsrechte zurückruft.
Obwohl ich per Einschreiben versendet habe, bekomme ich keine Antwort. Was soll ich nun machen? Gehören die Rechte an den Texten nach Ablauf einer Frist wieder mir? Haben die mein Einschreiben nicht bekommen? Oder haben sie es nicht angenommen? Kann ich das beweisen?
Ich fühle mich hilflos. Einen Anwalt kann ich nicht einschalten, dafür fehlt mir das Geld. Ich schreibe einen zweiten Brief, diesmal per Einschreiben mit Rückschein. Darin verweise ich auf das Urheberrechtsgesetz und rufe die Rechte zurück, weil der Verlag sich innerhalb der Frist, die ich im ersten Schreiben eingeräumt habe, nicht geäußert hat. Ich fordere den Verlag auf, jegliche weitere Nutzung des Werkes ab sofort zu unterlassen.
Ich bekomme keinen Rückschein und keine Antwort. Ich weiß gar nicht, wie das geht, dass man ein Einschreiben mit Rückschein bekommt und es ablehnt. Können Verlage mit Autoren wirklich machen, was sie wollen?
Derweil befindet sich das neue, unveröffentlichte Manuskript immer noch auf Tournee und wird von Agenturen und Verlagen geprüft.
Dann vollführe ich einen Freudentanz: Ein Verlag bietet mir einen Vertrag an. Dieser Verlag reagiert damit auf mein Anschreiben von vor über eineinhalb Jahren – in dem ich die erste Version des Romans vorstellte.
Eine Taschenbuchausgabe soll es werden. Zehntausend Stück. Wow! Ja! Honorar: pauschal dreitausend Euro, brutto, und ab dem 10.001. verkauften Buch sechs Prozent vom Nettoladenpreis. Tausendfünfhundert Euro, brutto, gäbe es bei Erscheinen des Buches und den Rest, wenn die Auflage abverkauft ist. Der Freudentanz ist schnell vorbei.
Ich unterzeichne diesen Vertrag nicht. Nicht, weil ich auf das Geld verzichten könnte, nein, bestimmt nicht. Ich unterzeichne diesen Vertrag nicht, weil ich mich selbst ernst nehme. Und weil ich als Schriftstellerin, wie in jedem anderen Beruf auch, anständig bezahlt werden will. Dieses Angebot ist unanständig.
Auf meinem Blog erzähle ich davon und es bricht ein Sturm los. Interessanterweise hauptsächlich einer der Entrüstung.
»Das ist doch normal«, wird da kommentiert. Ein Buchhändler schreibt, er hätte das angenommen, sei doch besser als nichts.
»Warum hast du vorher nicht mit mir gesprochen?«, fragt jemand, den ich nicht einmal kenne. Ich scheine in ein Wespennest gestochen zu haben. Meine Mailbox explodiert fast, und auf meiner Homepage werden an einem Tag 2.410 Besucher gezählt. Ich frage mich, ob etwas weniger unanständig ist, nur, weil es viele hinnehmen? Aber neben Beschimpfungen erfahre ich auch Ermutigungen und Nachfragen.
Dabei sind die prominenten Reaktionen ebenso gespalten wie die weniger prominenten: Eine bekannte Autorin aus der Schweiz twittert mir zu, dass Verlage für unbekannte Autoren keine Werbung machen und unbekannte eben schlechter bezahlen. Sie wünscht mir viel Glück.
Ein renommierter Sachbuchautor vermutet, dass ich im Taschenbuchbereich wohl kaum die Marke von zehntausend verkauften Exemplaren erreichen würde, und somit der zweite Teil des Honorars sicher nie zur Auszahlung käme. Ein berühmter Romanautor mailt,
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