Vom Kriege
statt; wie sie die Kräfte des Besiegten untergräbt, so erhöht sie die Kräfte und Tätigkeit des Siegers. Aber die Hauptwirkung liegt doch in dem Besiegten, denn hier wird sie die unmittelbare Ursache zu neuen Verlusten, und außerdem ist sie mit der Gefahr, den Anstrengungen und Mühseligkeiten, überhaupt mit allen erschwerenden Umständen, zwischen welchen der Krieg sich bewegt, homogener Natur, tritt also mit ihnen in Bund und wächst durch ihren Beistand, während beim Sieger sich alle diese Dinge wie Gewichte an den höheren Schwung seines Mutes legen. Man findet also, daß der Besiegte sich viel tiefer unter der Linie des ursprünglichen Gleichgewichts hinuntersenkt, als der Sieger sich darüber erhebt; darum haben wir, wenn wir von der Wirkung des Sieges sprechen, hauptsächlich die im Auge, welche sich bei dem besiegten Heere kundtut. Ist diese Wirkung in einem Gefecht von großem Umfang stärker als in einem von kleinem, so ist sie in der Hauptschlacht wieder viel stärker als in einem untergeordneten Gefecht. Die Hauptschlacht ist um ihrer selbst willen da, um des Sieges willen, den sie geben soll, und der in ihr mit der höchsten Anstrengung gesucht wird. Hier an dieser Stelle, in dieser Stunde den Gegner zu überwinden, ist die Absicht, in welcher der ganze Kriegsplan mit allen seinen Fäden zusammenläuft, alle entfernte Hoffnungen und dunkle Vorstellungen von der Zukunft sich zusammenfinden; es tritt das Schicksal vor uns hin, um die Antwort auf die dreiste Frage zu geben. - Dies ist die Geistesspannung, nicht bloß des Feldherrn, sondern seines ganzen Heeres bis zum letzten Troßknecht hinab, freilich in abstufender Stärke, aber auch in sich abstufender Wichtigkeit. Zu allen Zeiten und nach der Natur der Dinge waren Hauptschlachten niemals unvorbereitete, unerwartete, blinde Dienstverrichtungen, sondern ein großartiger Akt, der aus der Masse der gewöhnlichen Tätigkeiten teils von selbst, teils nach der Absicht der Führer hinreichend hervortritt, um die Spannung [231] aller Gemüter höher zu stimmen. Je höher aber diese Spannung auf den Ausgang ist, um so stärker muß die Wirkung desselben sein.
Wieder größer ist die moralische Wirkung des Sieges in unseren Schlachten, als sie in den früheren der neueren Kriegsgeschichte war. Sind jene, wie wir sie geschildert haben, ein wahres Ausringen der Kräfte, so entscheidet die Summe der Kräfte, der physischen wie der moralischen, mehr als einzelne Anordnungen oder gar Zufälle.
Einen Fehler, den man gemacht, kann man das nächste Mal verbessern, vom Glück und Zufall kann man ein andermal mehr Gunst erwarten: aber die Summe der moralischen und physischen Kräfte pflegt sich nicht so schnell zu ändern, und so scheint, was der Ausspruch eines Sieges über sie entschieden hat, für die ganze Zukunft von viel größerer Bedeutung. Zwar haben wohl von allen in und außer einem Heere durch eine Schlacht Beteiligten die wenigsten über solchen Unterschied nachgedacht, aber der Hergang der Schlacht selbst drückt den Gemütern aller darin Befindlichen ein solches Resultat auf, und die Erzählung dieses Herganges in den öffentlichen Berichten, wie sie auch durch einzelne hineingezwängte Umstände beschönigt werden mag, zeigt auch mehr oder weniger der übrigen Welt, daß die Ursachen mehr im ganzen als in Einzelheiten lagen.
Wer sich nie in einer großen verlorenen Schlacht befunden hat, wird Mühe haben, sich eine lebendige und folglich eine ganz wahre Vorstellung davon zu machen, und die abstrakten Vorstellungen von diesem oder jenem kleinen Verlust werden den eigentlichen Begriff einer verlorenen Schlacht niemals ausfüllen. Verweilen wir einen Augenblick bei dem Bilde.
Das erste, was sich der Einbildungskraft, und man kann auch wohl sagen: des Verstandes, in einer unglücklichen Schlacht bemächtigt, ist das Zusammenschmelzen der Massen, dann der Verlust des Bodens, welcher mehr oder weniger immer, und also auch bei dem Angreifenden, eintritt, wenn er nicht glücklich ist; dann die zerstörte ursprüngliche Ordnung, das Durcheinandergeraten der Teile, die Gefahren des Rückzuges, die mit wenig Ausnahmen immer, bald schwächer, bald stärker eintreten; nun der Rückzug, der meist in der Nacht angetreten, oder wenigstens die Nacht hindurch fortgesetzt wird. Gleich bei diesem ersten Marsch müssen wir eine Menge von Ermatteten und Zerstreuten zurücklassen, oft gerade die Bravsten, die sich am weitesten vorgewagt, die am längsten ausgeharrt
Weitere Kostenlose Bücher