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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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haben; das Gefühl, besiegt zu sein, welches auf dem Schlachtfelde nur die höheren Offiziere ergriff, geht nun durch alle Klassen bis zum Gemeinen über, verstärkt durch den abscheulichen Eindruck, soviel brave Gefährten, die gerade in der Schlacht uns erst recht wert geworden sind, in Feindes Händen zurücklassen zu müssen, und verstärkt durch das erwachende Mißtrauen gegen die Führung, der mehr oder weniger jeder Untergebene die Schuld seiner vergeblich gemachten Anstrengungen beimißt. Und dieses Gefühl, besiegt zu sein, ist keine bloße Einbildung, über die man Herr werden könnte; es ist die [232] evidente Wahrheit, daß der Gegner uns überlegen ist; eine Wahrheit, die in den Ursachen so versteckt sein konnte, daß sie vorher nicht zu übersehen war, die aber beim Ausgang immer klar und bündig hervortritt, die man auch vielleicht vorher erkannt hat, der man aber in Ermangelung von etwas Reellerem Hoffnung auf den Zufall, Vertrauen auf Glück und Vorsehung, mutiges Wagen entgegenstellen mußte. Nun hat sich dies alles unzulänglich erwiesen, und die ernste Wahrheit tritt uns streng und gebieterisch entgegen.
    Alle diese Eindrücke sind noch weit entfernt von einem panischen Schrecken, welcher bei einem mit kriegerischer Tugend ausgerüsteten Heere nie und bei jedem anderen doch nur ausnahmsweise die Folge verlorener Schlachten ist. Sie müssen auch beim besten Heere entstehen, und wenn lange Kriegs- und Siegesgewohnheit, großes Vertrauen zum Feldherrn sie hier und da ein wenig mildert, so fehlen sie doch im ersten Augenblick niemals ganz. Auch sind sie nicht die bloße Folge verlorener Trophäen; diese gehen gewöhnlich erst später verloren und werden nicht so schnell allgemein bekannt; sie werden also auch bei dem langsamsten und abgemessensten Umschlagen des Gleichgewichts nicht fehlen und immer diejenige Wirkung eines Sieges ausmachen, auf die man in jedem Fall rechnen kann.
    Daß der Umfang der Trophäen diese Wirkung erhöht, haben wir schon gesagt.
    Wie sehr ist nun ein Heer in diesem Zustande, als Instrument betrachtet, geschwächt, wie wenig läßt sich erwarten, daß es in diesem geschwächten Zustande, welcher, wie wir schon gesagt haben, in allen gewöhnlichen Schwierigkeiten der Kriegführung neue Feinde findet, imstande sei, das Verlorene durch eine neue Anstrengung wieder einzubringen! Vor der Schlacht bestand ein wirkliches oder eingebildetes Gleichgewicht beider Teile; dieses ist verloren, und es ist also eine äußere Ursache erforderlich, um es wieder zu gewinnen; jede neue Kraftanstrengung ohne einen solchen äußeren Stützpunkt wird nur zu neuem Verluste führen.
    So ist also in dem mäßigsten Siege der Hauptmacht schon der Grund zu einem beständigen Sinken der Waage gegeben, bis neue äußere Verhältnisse eine Wendung herbeiführen. Sind diese nicht nahe, ist der Sieger ein rastloser Gegner, der ruhmdürstig nach großen Zwecken jagt, so ist ein vorzüglicher Feldherr und ein in vielen Feldzügen gediegener und gestählter kriegerischer Geist des Heeres nötig, um den angeschwollenen Strom des Übergewichts nicht ganz durchbrechen zu lassen, sondern durch einen kleinen, vervielfältigten Widerstand seinen Lauf zu ermäßigen, bis sich die Kraft des Sieges am Ziel einer gewissen Bahn ausgerungen hat.
    Und nun die Wirkung außer dem Heer bei Volk und Regierung; es ist das plötzliche Zusammenbrechen der gespanntesten Hoffnungen, das Niederwerfen des ganzen Selbstgefühls. An die Stelle dieser vernichteten Kräfte strömt in das entstandene Vakuum die Furcht mit ihrer verderblichen Expansivkraft und vollendet die Lähmung. Es ist ein wahrer Nervenschlag, [233] den einer der beiden Athleten durch den elektrischen Funken der Hauptschlacht bekommt. Auch diese Wirkung, wie verschiedenen in ihren Graden hier und dort, bleibt niemals ganz aus. Anstatt daß jeder in seiner Wirksamkeit geschäftigt herbeieilen sollte, um dem Unglück zu steuern, fürchtet jeder, daß seine Anstrengung eine vergebliche sein werde, und hält zögernd inne, wo er eilen sollte, oder läßt gar mutlos die Arme sinken, alles dem Fatum anheimgebend.
    Die Folgen aber, welche diese Wirkung des Sieges in dem Gang des Krieges selbst hervorbringt, hängen teils von dem Charakter und Talent des siegenden Feldherrn, mehr aber von den Verhältnissen ab, aus welchen der Sieg hervorgeht, und in welche er hineinführt. Ohne Kühnheit und Unternehmungsgeist des Feldherrn wird der glänzendste Sieg keinen großen Erfolg

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