Vom Kriege
Armeen an, obgleich sie auf einem Kriegstheater waren. Der Oberbefehl ist also ein anderes Merkmal für den Begriff der Armee. Indessen ist dieses Merkmal dem obigen sehr nahe verwandt, denn wo die Sachen gut eingerichtet sind, sollte auf einem und demselben Kriegstheater nur ein Oberbefehl bestehen und der Befehlshaber eines eigenen Kriegstheaters niemals eines angemessenen Grades von Selbständigkeit entbehren.
Die bloße, absolute Stärke des Heeres entscheidet bei der Benennung weniger, als es im ersten Augenblick scheint. Denn wo mehrere Armeen auf einem und demselben Kriegstheater und unter gemeinschaftlichem Oberbefehl handeln, tragen sie diesen Namen nicht der Stärke wegen, sondern sie bringen ihn aus ihren früheren Verhältnissen mit (1813 die Schlesische, Nordarmee usw.), und man wird eine große Masse, die bestimmt ist, auf einem Kriegstheater zu bleiben, zwar in Korps, aber niemals in verschiedene Armeen teilen, wenigstens wäre das gegen den Sprachgebrauch, der also fest an der Sache gehalten zu haben scheint. Auf der anderen Seite wäre es zwar pedantisch, für jeden Parteigänger, der in einer entfernten Provinz unabhängig haust, den Namen einer Armee in Anspruch zu nehmen, doch kann man nicht unbemerkt lassen, daß es niemand auffällt, wenn von der Armee der Vendéer im Revolutionskriege die Rede ist, wiewohl sie oft nicht viel stärker war.
Die Begriffe Armee und Kriegstheater werden also in der Regel miteinander gehen und sich wechselseitig tragen.
[259] Feldzug
Ob man gleich oft Feldzug nennt, was in einem Jahr an kriegerischen Begebenheiten auf allen Kriegstheatern vorgekommen ist, so ist es doch gewöhnlicher und bestimmter gesprochen, die Begebenheiten eines Kriegstheaters darunter zu verstehen. Schlimmer aber ist es, mit dem Begriff von einem Jahre fertig zu werden, da sich die Kriege nicht mehr durch bestimmte und lange Winterquartiere von selbst in einjährige Feldzüge abteilen. Da die Begebenheiten eines Kriegstheaters von selbst in gewisse größere Abschnitte zerfallen, wenn nämlich die unmittelbaren Wirkungen einer mehr oder weniger großen Katastrophe aufhören und neue Verwicklungen geschürzt werden, so müssen diese natürlichen Einschnitte mit in Betrachtung gezogen werden, um einem Jahre (Feldzuge) seinen vollständigen Anteil von Begebenheiten zuzumessen. Niemand wird den Feldzug von 1812 an der Memel endigen lassen, wo die Armeen sich am 1. Januar befanden, und den weiteren Rückzug der Franzosen bis über die Elbe zum Feldzug von 1813 rechnen, da er offenbar nur ein Stück des ganzen Rückzugs von Moskau ist.
Daß die Feststellung dieser Begriffe keine größere Schärfe hat, ist von gar keinem Nachteil, weil sie nicht wie philosophische Definitionen zu irgendeiner Quelle von Bestimmungen gebraucht werden können. Sie sollen bloß dienen, der Sprache etwas mehr Klarheit und Bestimmtheit zu geben.
Drittes Kapitel: Machtverhältnis
Wir haben im achten Kapitel des dritten Buches gesagt, welchen Wert die Überlegenheit der Zahl im Gefechte, und folglich die allgemeine Überlegenheit in der Strategie hat, woraus denn die Wichtigkeit des Machtverhältnisses hervorgeht, über welches wir hier noch ein paar nähere Betrachtungen anstellen müssen.
Wenn wir die neueste Kriegsgeschichte ohne Vorurteil betrachten, so müssen wir uns gestehen, daß die Überlegenheit in der Zahl mit jedem Tage entscheidender wird; wir müssen also den Grundsatz, möglichst stark im entscheidenden Gefecht zu sein, allerdings jetzt etwas höher stellen, als er ehemals gestellt worden sein mag.
Der Mut und Geist des Heeres haben zu allen Zeiten die physischen Kräfte gesteigert und werden es auch ferner tun; aber wir haben in der Geschichte Zeiten, wo eine große Überlegenheit in der Einrichtung und Ausrüstung [260] der Heere, andere, wo eine solche Überlegenheit in der Beweglichkeit ein bedeutendes moralisches Übergewicht gab; dann waren es neu aufgebrachte taktische Systeme, dann verwickelte sich die Kriegskunst in dem Bestreben durch eine kunstvolle, nach großen, und umfassenden Grundsätzen eingerichtete Benutzung der Gegend, und in diesem Gebiet konnte der eine Feldherr dem andern hin und wieder große Vorteile abgewinnen; aber dieses Bestreben selbst ist untergegangen, hat einer natürlicheren und einfacheren Verfahrungsweise Platz machen müssen. - Sehen wir nun die Erfahrungen der letzten Kriege ohne vorgefaßte Meinung an, so müssen wir uns sagen, daß sich darin von jenen
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