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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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gestanden, daß beide hätten Kanonenschüsse miteinander wechseln können.
    Diese dem nächtlichen Überfall allerdings mehr zusagende Methode ist aber in den neueren Kriegen verlassen worden, und die Heere, welche jetzt in ihrer Verpflegung sowie in ihren Lagerungsbedürfnissen nicht mehr so in sich vollendete selbständige Körper sind, finden es nötig, gewöhnlich einen Tagemarsch zwischen sich und dem Feinde zu lassen. Fassen wir nun den nächtlichen Überfall eines Heeres noch besonders ins Auge, so ergibt sich, daß dazu nur selten genügende Motive vorhanden sein können, die sich auf folgende Fälle zurückführen lassen werden:
    1. Eine ganz besondere Unvorsichtigkeit oder Keckheit des Feindes, die selten vorkommt und da, wo sie vorkommt, gewöhnlich durch ein großes moralisches Übergewicht gutgemacht wird;
    2. Ein panischer Schrecken im feindlichen Heer oder überhaupt eine solche Überlegenheit der moralischen Kräfte in dem unserigen, daß diese allein hinreichend ist, die Stelle der Leitung zu vertreten;
    3. Beim Durchschlagen durch ein überlegenes feindliches Heer, welches uns umschlossen hält, weil hierbei alles auf Überraschung ankommt, und die Absicht des bloßen Davonkommens eine viel größere Vereinigung der Kräfte gestattet;
    4. Endlich in verzweiflungsvollen Fällen, wo unsere Kräfte ein solches Mißverhältnis zu den feindlichen haben, daß wir nur in einem außerordentlichen Wagen die Möglichkeit eines Erfolges sehen.
    In allen diesen Fällen aber bleibt doch stets die Bedingung, daß das feindliche Heer sich unter unseren Augen befindet und durch keine Avantgarde gedeckt ist.
    Übrigens werden die meisten nächtlichen Gefechte so eingeleitet, daß sie mit Tagesanbruch endigen, so daß nur die Annäherung und der erste Anfall unter dem Schutz der Dunkelheit geschieht, weil der Angreifende auf diese Weise die Folgen der Verwirrung, in welche er den Gegner stürzt, besser benutzen kann; dagegen sind Gefechte, welche erst mit Tagesanbruch anfangen, und wo die Nacht also bloß zur Annäherung benutzt wird, nicht mehr zu den nächtlichen zu zählen.
    [254]

Fünftes Buch: Die Streitkräfte
    [256]
Erstes Kapitel: Übersicht
    Wir werden die Streitkräfte betrachten:
    1. nach ihrer Stärke und Zusammensetzung,
    2. in ihrem Zustand außer dem Gefecht,
    3. in Rücksicht ihres Unterhaltes, und
    4. endlich in ihren allgemeinen Beziehungen zu Gegend und Boden.
    Wir werden uns also in diesem Buche mit denjenigen Beziehungen der Streitkräfte beschäftigen, die nur als notwendige Bedingungen des Kampfes, nicht als der Kampf selbst zu betrachten sind. Sie stehen mit diesem Kampf in mehr oder weniger enger Verbindung und Wechselwirkung und werden also bei der Anwendung des Kampfes noch oft zur Sprache kommen, aber wir mußten sie einmal vorher jede für sich als ein Ganzes in ihrem Wesen und ihrer Eigentümlichkeit betrachten.
Zweites Kapitel: Armee, Kriegstheater, Feldzug
    Eine genaue Bestimmung dieser drei verschiedenen Faktoren für Zeit, Raum und Masse im Kriege läßt die Natur der Sache nicht zu; um aber nicht zuweilen ganz mißverstanden zu werden, müssen wir uns den Sprachgebrauch, an den wir uns in den meisten Fällen gern halten, etwas deutlicher zu machen suchen.
    [258] Kriegstheater
    Eigentlich denkt man sich darunter einen solchen Teil des ganzen Kriegsraumes, der gedeckte Seiten und dadurch eine gewisse Selbständigkeit hat. Diese Deckung kann in Festungen liegen, in großen Hindernissen der Gegend, auch in einer beträchtlichen Entfernung von dem übrigen Kriegsraume. - Ein solcher Teil ist kein bloßes Stück des Ganzen, sondern selbst ein kleines Ganzes, welcher dadurch mehr oder weniger in dem Fall ist, daß die Veränderungen, welche sich auf dem übrigen Kriegsraum zutragen, keinen unmittelbaren, sondern nur einen mittelbaren Einfluß auf ihn haben. Wollte man hier ein genaues Merkmal, so könnte es nur die Möglichkeit sein, sich auf dem einen ein Vorgehen zu denken, während auf dem andern zurückgegangen würde, eine Defension, während auf dem andern offensiv verfahren würde. Diese Schärfe können wir nicht überall mitnehmen, sie soll bloß den eigentlichen Schwerpunkt andeuten.
    Armee
    Nehmen wir den Begriff des Kriegstheaters zu Hilfe, so ist es sehr leicht zu sagen, was eine Armee ist - diejenige Streitmasse, die sich auf einem und demselben Kriegstheater befindet. Allein dies umfaßt den Sprachgebrauch offenbar nicht ganz. Blücher und Wellington führten 1815 zwei

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