Vom Kriege
zusammenhängende Gestalt der kriegerischen Handlung wurde den Staaten hauptsächlich erst möglich, indem sie an die Stelle der Lehnsheere die Söldner treten ließen. Die Lehnspflicht wurde nun in einer Abgabe verwandelt, und der persönliche Dienst fiel entweder ganz weg, indem Werbung an die Stelle trat, oder er blieb nur in der ganz geringen Volksklasse, indem der Adel die Rekrutenstellung (wie noch jetzt in Rußland und Ungarn) als eine Art von Abgabe, als eine Menschensteuer betrachtete. In jedem Fall wurden nun die Heere, wie wir das schon anderswo gesagt haben, ein Instrument des Kabinetts, dessen Hauptbasis der Schatz oder das Geldeinkommen der Regierung war.
Gerade dieselbe Bewandnis, welche es mit der Aufstellung und beständigen Ergänzung der Streitkraft hatte, mußte es mit ihrem Unterhalt nehmen. Hatte man die Stände gegen Geldentschädigung von dem ersteren entbunden, so konnte man ihnen das letztere nicht auf einem so kurzen Umwege wieder aufbürden. Das Kabinett, der Schatz, mußte also für den Unterhalt des Heeres Sorge tragen und durfte es im eigenen Lande nicht auf Unkosten desselben leben lassen. Die Regierungen mußten also auch den Unterhalt der Streitkräfte ganz als ihre eigene Sache ansehen. Auf diese Weise wurde der Unterhalt auf eine doppelte Art schwieriger: einmal, indem er Sache der Regierung wurde, und dann, weil die Streitkräfte immer im Angesicht der feindlichen bleiben sollten.
Es wurde also nicht bloß ein selbständiges Kriegsvolk, sondern auch eine selbständige Einrichtung seiner Ernährung geschaffen und so weit ausgebildet, als es nur immer gehen wollte.
Es wurden nicht bloß die Vorräte zum Unterhalt entweder durch Geld - oder Dominiallieferungen, also von entlegenen Punkten herbeigeschafft und in Magazinen aufgehäuft, sondern auch von diesen zu den Truppen vermittelst eines eigenen Fuhrwesens hingeschafft, in ihrer Nähe vermittelst eigener Bäckerei verbacken und dann wieder vermittelst eines andern, den [312] Truppen zuletzt selbst beigegebenen Fuhrwesens von diesen abgeholt. Wir werfen einen Blick auf dieses System, nicht bloß weil es die Eigentümlichkeit der Kriege erklärt, in welchen es bestanden hat, sondern weil es nie ganz aufhören kann, und einzelne Bestandteile desselben immer wieder vorkommen werden.
So strebte also die Kriegseinrichtung dahin, immer unabhängiger von Volk und Land zu werden.
Die Folge war, daß der Krieg auf diese Weise zwar regelmäßiger, zusammenhängender, dem kriegerischen, d. h. dem politischen Zweck untergeordneter wurde, aber zugleich auch in seinen Bewegungen viel beschränkter und zwangsvoller und in seiner Energie unendlich geschwächt. Denn nun war man an Magazine gebunden, auf die Wirkungskreise des Fuhrwesens beschränkt, und es war nichts natürlicher, als daß das Ganze die Richtung nahm, den Unterhalt des Heeres so sparsam als möglich einzurichten. Der Soldat, genährt durch ein kümmerliches Stückchen Brot, wankte oft wie ein Schatten umher, und keine Aussicht auf einen Wechsel des Glücks tröstete ihn im Augenblick der Entbehrung.
Wer diese kümmerliche Ernährung des Soldaten für eine gleichgültige Sache ausgeben will und nur daran denkt, was Friedrich der Große mit seinen so verpflegten Soldaten getan hat, der sieht den Gegenstand nicht mit voller Unbefangenheit an. Die Kraft, zu entbehren, macht beim Soldaten eine der schönsten Tugenden aus, und ohne sie gibt es kein Heer von wahrhaft kriegerischem Geist; aber dies Entbehren muß vorübergehend, durch die Gewalt der Umstände geboten sein und nicht die Folge eines ärmlichen Systems oder einer kärglichen, abstrakten Berechnung der Notdurft. In diesem Falle wird es immer die Kraft des Individuums physisch und moralisch schwächen. Was Friedrich der Große mit seinem Kriegsvolk ausgerichtet hat, kann uns nicht zum Maßstab dienen; denn teils stand ihm dasselbe System entgegen, teils wissen wir nicht, wieviel mehr er unternommen hätte, wenn er sein Kriegsvolk so hätte leben lassen können, wie Bonaparte das seinige leben ließ, sooft es die Umstände erlaubten.
Nur bis auf den Unterhalt der Pferde hatte man das künstliche Verpflegungssystem niemals auszudehnen gewagt, weil dieser des Volumens wegen viel mehr Schwierigkeiten des Transportes hat. Eine Ration wiegt ungefähr zehnmal soviel wie eine Portion, die Zahl der Pferde ist aber bei einem Heer nicht etwa 1/10 der Menschen, sondern noch jetzt ¼ bis 1/3 und war sonst 1/3 bis ½, also das Gewicht
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