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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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Plätze zu belagern. Zwar haben wir in diesem Fall mehr Zeit, wir können den Augenblick der höchsten Schwächung des Feindes abwarten, aber immer bleibt doch die Voraussetzung, daß wir endlich zum Handeln übergehen. Der Feind ist zwar nun im Besitz vielleicht des ganzen Landstriches, welcher den Gegenstand seines Angriffs ausmachte; allein es ist ihm nur geliehen; die Spannung dauert fort, und die Entscheidung steht noch bevor. Solange der Verteidiger sich täglich verstärkt und der Angreifende sich täglich schwächt, ist die Nichtentscheidung in dem Interesse des ersteren; sowie aber der Kulminationspunkt eintritt, der notwendig eintreten muß, wäre es auch nur durch die endliche Einwirkung der allgemeinen Verluste, welcher der Verteidiger sich ausgesetzt hat: so ist das Handeln und Entscheiden an dem Verteidiger, und der Vorteil des Abwartens ist als völlig erschöpft zu betrachten.
    [367] Dieser Zeitpunkt hat natürlich kein allgemeines Maß; eine Menge von Umständen und Verhältnissen können ihn bestimmen, aber bemerken müssen wir doch, daß der herannahende Winter einen sehr natürlichen Wendepunkt zu machen pflegt. Können wir den Feind nicht verhindern, in dem eingenommenen Landstrich zu überwintern, so wird in der Regel dieser als aufgegeben zu betrachten sein. Man braucht aber nur an das Beispiel von Torres Vedras zu denken, um einzusehen, daß diese Regel nicht allgemein ist.
    Welches ist nun die Entscheidung überhaupt?
    Wir haben sie in unserer Betrachtung stets in Form einer Schlacht gedacht; dies ist nun freilich nicht notwendig, sondern es lassen sich eine Menge Gefechtskombinationen mit geteilter Macht denken, die zu einem Umschwung führen, entweder, indem sie sich wirklich blutig entladen, oder indem ihre wahrscheinlichen Wirkungen den Rückzug des Gegners notwendig machen.
    Eine andere Entscheidung kann es auf dem Kriegstheater selbst nicht geben, das folgt ganz notwendig aus der Ansicht vom Kriege, wie wir sie aufgestellt haben; denn selbst wenn ein feindliches Heer aus bloßem Mangel an Lebensmitteln seinen Rückzug antritt, so entsteht doch dieser erst aus der Einschränkung, in welcher unser Schwert dasselbe hält; wäre unsere Streitkraft gar nicht vorhanden, so würde es schon Rat zu schaffen wissen.
    Also auch am Ende seiner Angriffsbahn, wenn der Feind den schwierigen Bedingungen seines Angriffs erliegt, Entsendungen, Hunger und Krankheit ihn geschwächt und ausgezehrt haben, ist es immer nur die Furcht vor unserm Schwert, die ihn veranlassen kann, umzukehren, und alles wieder fahren zu lassen. Aber es findet freilich nichtsdestoweniger ein großer Unterschied zwischen einer solchen Entscheidung statt und einer an der Grenze gegebenen.
    Hier treten seinen Waffen nur unsere Waffen entgegen, nur diese halten jene im Zaum oder wirken zerstörend auf sie ein; dort aber, am Ende der Angriffsbahn, sind die feindlichen Streitkräfte schon durch die eigenen Anstrengungen halb zugrunde gerichtet, dadurch wird unsern Waffen ein ganz anderes Gewicht gegeben, und sie sind also, wenn auch der letzte, doch nicht mehr der einzige Entscheidungsgrund. Diese Vernichtung der feindlichen Streitkräfte im Vorgehen bereitet die Entscheidung vor, und sie kann das in dem Maße tun, daß die bloße Möglichkeit unserer Reaktion den Rückzug, also den Umschwung veranlassen kann. In diesem Fall also kann man praktisch nicht anders als die Entscheidung diesen Anstrengungen im Vorgehen zuschreiben. Nun wird man freilich keinen Fall finden, wo das Schwert des Verteidigers nicht mitgewirkt hätte; aber es ist für die praktische Ansicht wichtig, zu unterscheiden, welches der beiden Prinzipe das vorherrschende gewesen ist.
    In diesem Sinne nun glauben wir sagen zu können, daß es in der Verteidigung eine doppelte Entscheidung, also eine doppelte Reaktionsart gebe, je nachdem der Angreifende durch das Schwert des Verteidigers oder durch seine eigenen Anstrengungen zugrunde gehen soll.
    [368] Daß die erste Entscheidungsart bei den drei ersten Stufen der Verteidigung, die zweite bei der vierten vorherrschen wird, ist an sich klar; und zwar wird die letztere hauptsächlich nur vorkommen können, wenn der Rückzug tief in das Innere des Landes stattfindet; und sie allein ist es, welche einen solchen Rückzug mit den großen Opfern, die er kostet, motivieren kann.
    Wir haben also zwei verschiedene Prinzipe des Widerstandes kennengelernt; es gibt Fälle in der Kriegsgeschichte, wo sie so rein und getrennt

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