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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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als eine wahre Steigerung der Verteidigung zu betrachten sind, und daß diese Form des Krieges immer stärker wird, je weiter sie sich von dem Angriff entfernt. Wir fürchten nicht, daß man uns darum der Meinung beschuldige, als sei die passiveste aller Verteidigungen die stärkste. Die Handlung des Widerstandes soll mit jeder neuen Stufe nicht geschwächt, sondern nur verzögert, verlegt werden. Daß man aber in einer starken und zweckmäßig verschanzten Stellung eines stärkeren Widerstandes fähig sei, und daß, wenn an diesem die Kräfte des Feindes sich halb erschöpft haben, auch ein wirksamerer Rückstoß gegen ihn erfolgen könne, ist gewiß nichts Widersinniges. Ohne die Vorteile der Stellung bei Kollin hätte Daun den Sieg wohl nicht errungen, und wenn er, nachdem Friedrich der Große nicht mehr als 18000 Mann vom Schlachtfelde zurückbrachte, diese stärker verfolgt hätte, so hätte der Erfolg einer der glänzendsten in der Kriegsgeschichte werden können.
    Wir behaupten also, daß mit jeder neuen Verteidigungsstufe das Übergewicht oder, genauer gesprochen, das Gegengewicht wächst, welches der Verteidiger bekommt, und folglich auch die Stärke des Rückschlages.
    Sind nun diese Vorteile der steigenden Verteidigung ganz umsonst zu haben? Keineswegs, die Opfer, mit welchen sie erkauft werden, steigen in eben dem Sinne.
    Wenn wir den Feind innerhalb unseres Kriegstheaters abwarten, so wird, wie nahe auch die Entscheidung an der Grenze gegeben wird, dieses Kriegstheater doch immer von der feindlichen Macht betreten, welches nicht ohne Opfer von seiten desselben sein kann, während wir durch einen Angriff diesen Nachteil dem Feinde zugewendet haben würden. Gehen wir dem Feinde nicht gleich entgegen, um ihn anzugreifen, so werden die Opfer schon etwas größer; der Raum, welchen der Feind einnimmt, und die Zeit, welche er braucht, um an unsere Stellung zu kommen, vermehren sie. Wollen wir eine Verteidigungsschlacht liefern, überlassen wir also den Entschluß und Augenblick dazu dem Feinde, so kann es sein, daß er geraume Zeit im Besitz des Landstriches bleibt, den er innehat, und die Zeit, welche er uns durch seinen Mangel an Entschluß gewinnen läßt, wird auf jene Weise von uns bezahlt. Noch fühlbarer werden die Opfer, wenn ein Rückzug in das Innere des Landes stattfindet.
    Aber alle diese Opfer, welche der Verteidiger bringt, verursachen ihm meistens einen Ausfall an Kräften, der nur mittelbar, also später und nicht [366] unmittelbar auf seine Streitkräfte wirkt, und oft so mittelbar, daß die Wirkung wenig fühlbar wird. Der Verteidiger sucht also sich auf Kosten der Zukunft im gegenwärtigen Augenblick zu verstärken, d. h. er borgt, wie jeder tun muß, der für seine Verhältnisse zu arm ist.
    Wenn wir nun den Erfolg dieser verschiedenen Widerstandsformen betrachten wollen, so müssen wir auf den Zweck des Angriffs sehen. Dieser ist, in den Besitz unseres Kriegstheaters zu kommen oder wenigstens eines bedeutenden Teils desselben, denn unter dem Begriff des Ganzen muß wenigstens die größere Masse desselben verstanden werden, und der Besitz eines Landstriches von wenigen Meilen hat in der Strategie in der Regel keine selbständige Wichtigkeit. Solange also der Angreifende in diesem Besitz noch nicht ist, d. h. solange er, weil er sich vor unserer Macht fürchtet, entweder noch gar nicht zum Angriff des Kriegstheaters vorgeschritten ist, oder uns in unserer Stellung noch nicht aufgesucht hat, oder der Schlacht, welche wir ihm geben wollten, ausgewichen ist: solange ist der Zweck der Verteidigung erfüllt; und die Wirkungen der Verteidigungsmaßregeln sind also erfolgreich gewesen. Aber freilich ist dieser Erfolg ein bloß negativer, welcher zu einem eigentlichen Rückstoß nicht unmittelbar die Kräfte geben kann. Er kann sie aber mittelbar geben, d. h. er ist auf dem Wege dazu, denn die Zeit, welche verstreicht, verliert der Angreifende, und jeder Zeitverlust ist ein Nachteil und muß auf irgendeine Art den, welcher ihn leidet, schwächen.
    Es wird also bei den ersten drei Stufen der Verteidigung, d. h. wenn sie an der Grenze geschieht, schon die Nichtentscheidung ein Erfolg der Verteidigung sein.
    So ist es aber nicht bei der vierten.
    Belagert der Feind unsere Festungen, so müssen wir sie zur rechten Zeit entsetzen, also ist es an uns, die Entscheidung durch positives Handeln zu geben.
    Eben dies ist der Fall, wenn der Feind uns in das Innere des Landes gefolgt ist, ohne einen unserer

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