Vom Kriege
[401] Wollte der Feind bei nicht hinreichender Überlegenheit dies dennoch tun, so würden wir imstande sein, aus dem Lager mit Erfolg hervorzubrechen und ihn einzeln zu schlagen.
cc) Wenn man auf einen Entsatz rechnen kann, wie die Sachsen 1756 bei Pirna es taten und wie es sich im Grunde 1757 nach der Schlacht von Prag zutrug, weil Prag selbst nur wie ein verschanztes Lager zu betrachten war, in welches Prinz Carl sich nicht würde haben einschließen lassen, wenn er nicht gewußt hätte, daß die mährische Armee ihn befreien könnte.
Eine jener drei Bedingungen ist also durchaus erforderlich, wenn die Wahl einer festen Stellung mit der Hauptmacht gerechtfertigt sein soll, und doch muß man gestehen, daß die beiden letzten Bedingungen für den Verteidiger schon nahe an einer großen Gefahr hinstreifen.
Ist aber von einem untergeordneten Korps die Rede, welches zum Besten des Ganzen allenfalls aufgeopfert werden kann, so fallen jene Bedingungen fort, und es fragt sich dann nur, ob durch eine solche Aufopferung ein wirklich größeres Übel abgewendet wird. Dies wird wohl nur selten der Fall sein, indessen ist es freilich nicht undenkbar. Das verschanzte Lager von Pirna hat verhindert, daß Friedrich der Große Böhmen schon im Jahre 1756 angriff. Die Österreicher waren damals so wenig in Bereitschaft, daß der Verlust dieses Königreichs unzweifelhaft scheint, und vielleicht wäre damit auch ein größerer Verlust an Menschen verknüpft gewesen als die 17000 Verbündeten, welche im Lager von Pirna kapitulierten.
c) Findet für den Angreifenden keine jener unter a und b angegebenen Möglichkeiten statt, sind also die Bedingungen erfüllt, welche wir für den Verteidiger dabei aufgestellt haben, so bleibt dem Angreifenden freilich nichts übrig, als vor der Stellung stehen zu bleiben wie der Hund vor einem Volk Hühner, sich allenfalls durch Entsendungen im Lande so viel als möglich auszubreiten und, mit diesem kleinen und unentscheidenden Vorteil sich begnügend, die wahre Entscheidung über den Besitz des Landstrichs der Zukunft zu überlassen. In diesem Fall hat die Stellung ihre volle Bedeutung erfüllt.
3. Die verschanzten Lager bei Festungen. Sie gehören, wie schon gesagt, insofern zur Klasse der verschanzten Stellungen überhaupt, als sie die Absicht haben, nicht einen Raum, sondern eine Streitkraft gegen den feindlichen Angriff zu schützen, und sind eigentlich von den andern nur darin verschieden, daß sie mit der Festung ein unzertrennliches Ganze machen, wodurch sie denn natürlich eine viel größere Stärke bekommen.
Es folgen aber daraus auch noch folgende Eigentümlichkeiten:
a) Daß sie noch den besondern Zweck haben können, die Belagerung der Festung entweder ganz unmöglich oder sehr schwierig zu machen. [402] Dieser Zweck kann ein großes Opfer an Truppen wert sein, wenn der Platz ein Hafen ist, der nicht gesperrt werden kann; in jedem andern Fall aber ist zu befürchten, daß derselbe durch Hunger doch zu früh fallen würde, um das Opfer einer bedeutenden Truppenmasse ganz zu verdienen.
b) Die verschanzten Lager bei Festungen können für kleinere Korps eingerichtet werden als die im freien Felde. Vier- bis fünftausend Mann können unter den Mauern einer Festung unüberwindlich sein, die im freien Felde im stärksten Lager von der Welt verloren sein würden.
c) Sie können zur Versammlung und Zurichtung solcher Streitkräfte gebraucht werden, die noch zu wenig innern Halt haben, um sie ohne den Schutz der Festungswälle mit dem Feinde in Berührung zu bringen. Rekruten, Landwehren, Landsturm usw.
Sie würden also als eine vielseitig nützliche Maßregel sehr empfehlungswert sein, wenn sie nicht den außerordentlichen Nachteil hätten, der Festung, wenn sie nicht besetzt werden können, mehr oder weniger zu schaden; die Festung aber immer mit einer Besatzung zu versehen, die auch einigermaßen für dies verschanzte Lager zureicht, würde eine viel zu drückende Bedingung sein.
Wir sind daher sehr geneigt, sie nur bei Küstenplätzen für empfehlenswert, und in allen anderen Fällen mehr für schädlich als nützlich zu halten.
Sollen wir am Schluß unsere Meinung noch mit einem Gesamtblick zusammenfassen, so sind feste und verschanzte Stellungen:
1. Um so weniger zu entbehren, je kleiner das Land, je weniger Raum zum Ausweichen ist.
2. Um so weniger gefährlich, je sicherer auf Hilfe und Entsatz zu rechnen ist, entweder durch andere Streitkräfte, oder durch schlechte
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