Vom Kriege
Seite geschieht; denn dieser Seitenanfall hat mit der Stellung selbst kaum etwas zu tun, oder geht wenigstens der Hauptsache nach nicht aus ihren Eigenschaften hervor, wie dies der Fall mit der Einwirkung auf die strategische Flanke ist.
In jedem Fall geht hieraus hervor, daß über die Eigenschaften einer Flankenstellung nichts Neues festzustellen ist. Nur ein paar Worte über den Charakter dieser Maßregel finden hier eine bequeme Stelle.
Von eigentlich festen Stellungen sehen wir ganz ab, weil wir davon hinreichend gesprochen haben.
Eine Flankenstellung, die nicht unangreifbar ist, ist ein äußerst wirksames, aber freilich auch eben darum gefährliches Instrument. Wird der Angreifende durch sie gebannt, so hat man eine große Wirkung mit einem unbedeutenden Kraftaufwand, es ist der Druck des kleinen Fingers auf den langen Hebel eines scharfen Gebisses. Ist aber die Wirkung zu schwach, wird der Angreifende nicht festgehalten, so hat der Verteidiger seinen Rückzug mehr oder weniger aufgeopfert, und muß entweder in der Eile auf Umwegen, also unter sehr nachteiligen Umständen noch zu entkommen suchen, oder er ist in Gefahr, sich ohne Rückzug zu schlagen. Gegen einen dreisten, moralisch überlegenen Gegner, der eine tüchtige Entscheidung sucht, ist dieses Mittel also höchst gewagt und keineswegs an seinem Ort, wie oben das Beispiel von 1806 beweist. Dagegen kann es bei einem behutsamen Gegner und in bloßen Beobachtungskriegen für eins der besten Mittel gelten, zu welchen das Talent des Verteidigers greifen kann. Des Herzog Ferdinands Verteidigung der Weser durch eine Stellung auf dem linken Ufer derselben und die bekannten Stellungen von Schmottseifen und Landeshut sind Beispiele davon; nur zeigt freilich die letztere zugleich in der Katastrophe des Fouquéschen Korps 1760 die Gefahr einer falschen Anwendung.
Fünfzehntes Kapitel: Gebirgsverteidigung
Der Einfluß des Gebirgsbodens auf die Kriegführung ist sehr groß, der Gegenstand also für die Theorie sehr wichtig. Da dieser Einfluß ein aufhaltendes Prinzip in die Handlung bringt, so gehört er zunächst der Verteidigung an; wir werden ihn also hier abhandeln, ohne bei dem engern Begriff einer Gebirgsverteidigung stehen zu bleiben. Da wir bei der Betrachtung dieses Gegenstandes in manchen Punkten ein der gewöhnlichen Meinung entgegenlaufendes Resultat gefunden haben, so werden wir in manche Zergliederung eingehen müssen.
Zuerst wollen wir die taktische Natur des Gegenstandes betrachten, um den strategischen Anknüpfungspunkt zu gewinnen.
Die unendliche Schwierigkeit, die ein Marsch mit großen Kolonnen auf Gebirgswegen hat, die außerordentliche Stärke, die ein kleiner Posten durch eine steile Bergfläche bekommt, die seine Front deckt, und durch Schluchten rechts und links, an die er sich stützen kann, sind unstreitig die beiden Hauptumstände, welche der Gebirgsverteidigung von jeher einen so allgemeinen Anspruch auf Wirksamkeit und Stärke verliehen haben, daß nur die Eigentümlichkeiten gewisser Zeiten in Bewaffnung und Taktik die großen Massen der Streitkräfte davon entfernt gehalten haben.
Wenn sich eine Kolonne in Schlangenlinien mühsam durch enge Schluchten den Berg hinaufwindet und sich schneckenartig über ihn fortschiebt, die Artilleristen und Trainknechte mit Fluchen und Schreien die abgetriebenen Gäule durch die rauhen Hohlwege peitschen, jeder zerbrochene Wagen mit unsäglicher Mühe hinausgebracht werden muß, während hinten alles stockt, schimpft und flucht: so denkt ein jeder bei sich - nun, hier dürfte der Feind nur mit ein paar hundert Mann kommen, um alles davonzujagen. Daher kommt der Ausdruck der historischen Schriftsteller, wenn sie von Straßenengen sprechen, wo eine Handvoll Menschen ganze Heere aufhalten könnten. Indes weiß jeder oder sollte jeder wissen, der den Krieg kennt, daß ein solcher Zug durchs Gebirge wenig oder gar nichts mit dem Angriff desselben gemein hat, und daß darum der Schluß von dieser Schwierigkeit auf eine noch viel größere beim Angriff falsch ist.
Natürlich ist es, daß ein Unerfahrener diesen Schluß macht, und fast ebenso natürlich, daß die Kriegskunst einer gewissen Zeit selbst in diesen Irrtum verwickelt wurde, die Erscheinung war dem Kriegserfahrenen damals fast ebenso neu als dem Fremdling. Vor dem Dreißigjährigen Kriege war, bei der tiefen Schlachtordnung, der vielen Reiterei, den unausgebildeten Feuerwaffen und anderen Eigentümlichkeiten, die Benutzung starker
Weitere Kostenlose Bücher