Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
Vom Netzwerk:
nicht wie in einer Defensivschlacht [432] mit kräftigen Stößen von hinten entgegenwirken, sonst opferte er die Vorteile seiner Lage auf; er muß also die Sache in seiner Front entscheiden, ehe diese Korps ihm nachteilig werden, d. h. er muß, was er vor sich hat, so schnell und kräftig als möglich angreifen und durch die Niederlage desselben das Ganze entscheiden.
    Der Zweck dieser Flußverteidigung kann aber niemals der Widerstand gegen eine zu überlegene Macht sein, wie allenfalls bei der unmittelbaren Verteidigung eines großen Stromes denkbar ist; denn in der Regel bekommt man es mit dem größten Teil der feindlichen Macht wirklich zu tun, und wenn dies auch unter vorteilhaften Umständen der Fall ist, so ist doch leicht einzusehen, daß das Verhältnis der Macht schon in Betrachtung kommt.
    So ist es mit der Verteidigung mittlerer Flüsse und tiefer Taleinschnitte, wenn von den großen Massen des Heeres selbst die Rede ist, für welche der beträchtliche Widerstand, den man an den Talrändern selbst tun kann, in keinen Betracht gegen die Nachteile einer verzettelten Stellung kommen kann, und denen ein entschiedener Sieg Bedürfnis ist. Kommt es aber bloß auf die Verstärkung einer untergeordneten Verteidigungslinie an, die eine Zeitlang widerstehen soll und auf Unterstützung berechnet ist: so kann allerdings eine unmittelbare Verteidigung der Talränder oder selbst der Ufer stattfinden, und wenngleich hier nicht ähnliche Vorteile zu erwarten sind, wie in Gebirgsstellungen, so wird der Widerstand doch immer länger dauern als in gewöhnlicher Gegend. Nur ein Fall macht diesen Gebrauch sehr gefährlich oder unmöglich: wenn der Fluß sich in sehr krausen Schlangenlinien fortzieht, welches gerade bei tiefeingeschnittenen oft vorkommt. Man betrachte nur den Lauf der Mosel in Deutschland. In diesem Fall würden die an den ausgehenden Bogen vorgeschobenen Teile beim Rückzug fast unvermeidlich verlorengehen.
    Daß ein großer Strom dasselbe Verteidigungsmittel darbietet, welches wir hier, in Beziehung auf die Masse des Heeres, den mittlern Flüssen angeeignet haben, und zwar unter viel günstigern Bedingungen, versteht sich von selbst, und dieser Fall wird jedesmal zur Anwendung kommen, wo es dem Verteidiger auf einen völligen Sieg ankommt. (Aspern.)
    Der Fall, wo ein Heer einen Strom, einen Fluß oder ein tiefes Tal dicht vor seiner Front nimmt, um ein taktisches Zugangshindernis dadurch zu gewinnen, eine taktische Frontverstärkung, ist ein ganz anderer, dessen nähere Betrachtung in die Taktik gehört; wir wollen aber von dem Resultat dieser Maßregel soviel sagen, daß sie im Grunde eine völlige Selbsttäuschung ist. - Ist der Einschnitt sehr beträchtlich, so wird die Front der Stellung dadurch absolut unangreifbar; da nun das Vorbeigehen einer solchen Stellung nicht mehr Umstände macht als das jeder andern, so ist es im Grunde nicht viel mehr, als wenn der Verteidiger dem Angreifenden selbst aus dem Wege gegangen wäre, welches doch schwerlich die Absicht der Aufstellung war. Eine solche Aufstellung kann also nur da Nutzen haben, wo das Verhältnis der [433] Verbindungslinien durch die Örtlichkeit dem Angreifenden so ungünstig gestellt wird, daß jedes Ausbiegen von der direkten Straße mit zu nachteiligen Folgen verbunden wäre.
    Bei dieser zweiten Verteidigungsart sind die Scheinübergänge viel gefährlicher, denn der Angreifende hat mehr Leichtigkeit, sie zu machen, und der Verteidiger die Aufgabe, sein ganzes Heer auf dem rechten Punkt zu versammeln. Allein von der einen Seite ist dem Verteidiger die Zeit hier nicht ganz so knapp zugemessen, weil seine Vorteile so lange nicht aufhören, bis der Angreifende seine ganze Macht vereinigt und mehrere Übergänge hinter sich genommen hat; von der andern Seite ist die Wirksamkeit der Scheinangriffe immer hier noch nicht so groß, wie bei der Verteidigung eines Kordons, wo alles festgehalten werden soll, und es also bei Verwendung der Reserve nicht wie bei unserer Aufgabe auf die bloße Frage ankommt, wo der Gegner seine Hauptmacht hat, sondern auf die viel schwierigere, welcher Punkt am ersten überwältigt werden wird.
    Von beiden Verteidigungsarten großer und kleiner Flüsse müssen wir im allgemeinen noch bemerken, daß sie, in der Eile und Verwirrung eines Rückzuges angeordnet, ohne Vorbereitungen, ohne Wegschaffung der Übergangsmittel, ohne genaue Kenntnis der Gegend, allerdings nicht das leisten können, was wir uns hier darunter gedacht

Weitere Kostenlose Bücher