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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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beobachtet und schwach verteidigt, während die Armee in mehreren Korps auf passenden Punkten in einiger Entfernung (gewöhnlich einige Stunden) vom Fluß aufgestellt wird.
    Der Hauptumstand ist hier der Durchzug durch die Straßenenge, welche der Fluß und sein Tal bildet. Hier kommt es also nicht bloß auf die Wassermasse an, sondern auf das Ganze der Straßenenge, und in der Regel leistet ein tiefes Felsental viel mehr als eine beträchtliche Flußbreite. Die Schwierigkeit, welche der Durchzug einer bedeutenden Truppenmasse durch eine beträchtliche Straßenenge hat, ist in der Wirklichkeit sehr viel größer, als aus der bloßen Überlegung sich zu ergeben scheint. Die erforderliche Zeit ist sehr beträchtlich, die Gefahr, daß der Feind auch während des Durchzuges sich zum Meister der umgebenden Höhen machen könnte, sehr beunruhigend. Rücken die ersten Truppen zu weit vor, so treffen sie früher auf den Feind und sind in Gefahr, von einer überlegenden Macht erdrückt zu werden; bleiben sie in der Nähe des Übergangspunktes, so schlägt man sich in der schlimmsten Lage. Der Übergang über einen solchen Einschnitt des Bodens, um jenseits desselben sich mit der feindlichen Armee zu messen, ist daher ein kühnes Unternehmen oder setzt eine große Überlegenheit und Sicherheit in der Führung voraus.
    Freilich kann sich eine solche Verteidigungslinie nicht zu einer ähnlichen Länge ausdehnen wie die unmittelbare Verteidigung eines großen Stromes, [431] denn man will mit dem Ganzen vereinigt schlagen, und die Übergänge, wenn sie auch noch so schwierig sind, können doch nicht mit denen über einen großen Strom verglichen werden; das Umgehen liegt also dem Feinde viel näher. Allein dieses Umgehen verschiebt ihn aus seiner natürlichen Richtung (denn wir setzen, wie sich versteht, voraus, daß der Taleinschnitt diese ungefähr senkrecht durchschneidet) und die nachteilige Wirkung der beengten Rückzugslinien verliert sich nicht mit einem Male, sondern erst nach und nach, so daß der Verteidiger auch dann immer noch einige Vorteile über den Vorgehenden hat, wenn dieser auch nicht gerade im Augenblick der Krise von ihm erreicht worden ist, sondern das Umgehen etwas mehr Spielraum gewonnen hat.
    Da wir nicht bloß von den Flüssen in Beziehung auf ihre Wassermasse reden, sondern fast mehr als diese den tiefen Einschnitt ihrer Täler im Auge haben, so müssen wir bevorworten, daß darunter kein förmliches Gebirgstal verstanden werden dürfe, weil dann alles davon gilt, was vom Gebirge gesagt worden ist. Bekanntlich gibt es aber sehr viel ebene Gegenden, wo selbst die kleinsten Flüsse tiefe und steile Einschnitte bilden; außerdem gehören auch morastige Ufer und andere Hindernisse des Zuganges hierher.
    Unter diesen Bedingungen ist also die Aufstellung einer Verteidigungsarmee hinter einem beträchtlichen Fluß oder tieferen Taleinschnitt eine sehr vorteilhafte Lage und diese Art der Flußverteidigung zu den besten strategischen Maßregeln zu zählen.
    Die Blöße derselben, der Punkt, auf dem der Verteidiger leicht straucheln kann, ist die zu große Ausdehnung der Kräfte. Es ist so natürlich, sich in einem solchen Fall von einem Übergangspunkte bis zum andern fortziehen zu lassen und den rechten Punkt zu verfehlen, wo man abschneiden muß; gelingt es aber nicht, mit der ganzen Armee vereinigt zu schlagen, so ist die Wirkung verfehlt; ein verlorenes Gefecht, ein notwendiger Rückzug und mancherlei Verwirrung und Verlust bringen die Armee einer völligen Niederlage nahe, selbst wenn sie nicht bis aufs äußerste standhält.
    Daß man unter dieser Bedingung sich nicht weit ausdehnen dürfe, daß man in jedem Fall seine Kräfte am Abend desselben Tages gesammelt haben müsse, wo der Feind übergeht, ist genug gesagt und kann die Stelle aller weitern Kombinationen von Zeit, Kraft und Raum vertreten, die hier von so vielen Örtlichkeiten abhängig sind.
    Die unter solchen Umständen herbeigeführte Schlacht muß einen eigentümlichen Charakter haben, nämlich den der höchsten Impetuosität von seiten des Verteidigers. Die Scheinübergänge, womit der Angreifende ihn eine Zeitlang in Ungewißheit gehalten haben kann, werden ihn in der Regel erst erscheinen lassen, wenn es die höchste Zeit ist. Die eigentümlichen Vorteile seiner Lage bestehen in der nachteiligen Lage der feindlichen Korps, die er gerade vor sich hat; kommen von andern Übergangspunkten andere Korps herbei, die ihn umfassen, so kann er diesen

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