Vom Kriege
haben; in den meisten Fällen ist gar nicht darauf zu rechnen, und um deswillen sich in ausgedehnte Stellungen zu verzetteln, eine große Torheit.
Überhaupt wird, so wie im Kriege alles fehlschlägt, was man nicht mit klarem Bewußtsein, mit ganzem und festem Willen tut, auch eine Flußverteidigung schlechten Erfolg haben, die gewählt wird, weil man nicht den Mut hat, dem Gegner in offener Feldschlacht entgegenzutreten, und hofft, daß der breite Fluß, das tiefe Tal ihn aufhalten werden. Da ist so wenig von wahrem Vertrauen zu der eigenen Lage die Rede, daß gewöhnlich Feldherr und Heer voll der besorglichsten Ahnungen sind, die denn auch schnell genug in Erfüllung zu gehen pflegen. Eine offene Feldschlacht setzt ja nicht wie ein Duell völlig gleiche Umstände voraus, und ein Verteidiger, der sich in derselben keine Vorteile durch die Eigentümlichkeit der Verteidigung zu erwerben weiß, keine durch schnelle Märsche, keine durch Kenntnis der Gegend, keine durch Freiheit der Bewegungen: dem ist nicht zu helfen, und am wenigsten wird der Fluß und sein Tal es vermögen. -
Die dritte Art der Verteidigung, durch eine auf der feindlichen Seite genommene feste Stellung, gründet ihre Wirksamkeit auf die Gefahr, welche dem Feinde daraus entspringt, daß ein Fluß seine Verbindungslinien durchschneiden, und also auf ein oder ein paar Brückenübergänge beschränken würde. Hieraus ergibt sich von selbst, daß hier nur von bedeutenden Flüssen mit bedeutenden Wassermassen die Rede sein kann, da diese allein jenen Fall bedingen, während ein bloß tiefeingeschnittener Fluß gewöhnlich eine solche Zahl von Übergängen hat, daß jene Beziehung ganz wegfällt.
[434] Sehr fest, fast unangreifbar muß die Stellung sein, sonst würden wir ja dem Feind halben Weges entgegenkommen, und unsere Vorteile aufgeben. Ist sie aber von solcher Stärke, daß der Feind sich nicht zu einem Angriff entschließen wird, so wird er unter gewissen Umständen dadurch selbst auf das Ufer gebannt, auf dem wir uns befinden. Ginge er über, so würde er seine Verbindungen preisgeben, aber freilich zugleich die unsrigen bedrohen. Hier, wie bei allen Fällen, wo man einander vorbeigeht, kommt es darauf an, wessen Verbindungen der Zahl, der Lage und den übrigen Umständen nach mehr gesichert sind, ferner, wer auch in anderer Rücksicht mehr dabei zu verlieren hat und also von dem Gegner leicht überboten werden kann, endlich wer in seinem Heer mehr Siegeskraft bewahrt, um sich im äußersten Fall darauf zu stützen. Der Fluß tut hierbei nichts, als daß er die gegenseitigen Gefahren einer solchen Bewegung potenziert, weil man auf Brücken eingeschränkt ist. Insofern man nun annehmen kann, daß nach der gewöhnlichen Ordnung der Dinge die Übergänge des Verteidigers, sowie seine Depots aller Art durch Festungen mehr gesichert sein werden, als die des Angreifenden: so ist eine solche Verteidigung allerdings denkbar und würde dann in den Fällen, wo die übrigen Umstände einer unmittelbaren Flußverteidigung nicht günstig genug sind, diese ersetzen. Zwar ist dann der Fluß nicht durch die Armee verteidigt, auch die Armee nicht durch den Fluß, aber das Land ist es durch die Verbindung beider, worauf es doch ankommt.
Indessen muß man gestehen, daß diese Verteidigungsart ohne entscheidenden Schlag, welche der Spannung gleicht, in der sich die beiden Elektrizitäten bei der bloßen Berührung ihrer Atmosphäre befinden, nur geeignet ist, einen nicht sehr kräftigen Impuls aufzuhalten. Gegen einen vorsichtigen unentschlossenen Feldherrn, den nichts heftig vorwärts drängt, wird sie, selbst bei großer Überlegenheit seiner Kräfte, anwendbar sein; ebenso wenn schon ein gleichgewichtiges Schweben der Kräfte vorher eingetreten ist und man einander nur kleine Vorteile abzugewinnen sucht. Hat man es aber mit überlegenen Kräften zu tun, von einem Waghals angeführt, so ist es ein gefährlicher Weg, der dicht an den Abgrund hinführt.
Diese Verteidigungsart nimmt sich übrigens so keck und doch so wissenschaftlich aus, daß man sie die elegante nennen möchte ; aber da Eleganz leicht an Fatuität hinstreift, und diese im Kriege nicht so leicht verziehen werden würde wie in der Gesellschaft, so hat man doch wenig Beispiele dieser eleganten Art. Aus dieser dritten Art entwickelt sich ein besonderes Hilfsmittel für die beiden ersten Arten, nämlich, durch das Festhalten einer Brücke und eines Brückenkopfs immer mit dem Übergang zu drohen.
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