Vom Kriege
findet, endlich auf die Wälder in der Nähe des Stromes, die er zum Schiff- und Floßbau benutzen kann. Es gibt Fälle, wo ihm alle diese Umstände so sehr entgegen sind, daß der Stromübergang dadurch fast unmöglich wird.
Endlich sind die Festungen, welche auf beiden Seiten oder auf der feindlichen Seite des Stromes liegen, nicht nur ein gegen den Übergang deckender Schild für alle ihnen oberhalb und unterhalb nahe liegenden Punkte, sondern auch ein Mittel, die Nebenflüsse zu sperren und die Übergangsmittel schnell in sich aufzunehmen.
Soviel von der unmittelbaren Stromverteidigung, welche eine große Wassermasse voraussetzt. Kommt ein tiefer, steiler Taleinschnitt, oder kommen sumpfige Ufer hinzu, so wird die Schwierigkeit des Überganges und die Wirksamkeit der Verteidigung zwar vermehrt, aber die Wassermasse kann dadurch nicht ersetzt werden, denn jene Umstände bilden keine absolute Unterbrechung der Gegend, und diese ist eine notwendige Bedingung der unmittelbaren Verteidigung.
Frägt man sich, welche Rolle eine solche unmittelbare Stromverteidigung in dem strategischen Plan des Feldzuges spielen kann, so muß man einräumen, daß sie niemals zu einem entscheidenden Siege führen kann, teils, weil es ihre Absicht ist, den Feind nicht herüber zu lassen, sondern die erste bedeutende Masse, welche er übergesetzt hat, zu erdrücken, teils, weil der [428] Strom verhindert, die erfochtenen Vorteile durch einen kräftigen Ausfall zum entscheidenden Siege zu erweitern.
Dagegen kann eine solche Stromverteidigung oft einen großen Gewinn an Zeit bringen, worauf es doch dem Verteidiger gewöhnlich ankommt. Die Herbeischaffung der Übergangsmittel kostet oft viel Zeit; mißlingen mehrere Versuche, so ist noch ungleich mehr Zeit gewonnen. Gibt der Feind seinen Kräften, wegen des Stromes eine ganze andere Richtung, so werden auch wohl noch andere Vorteile dabei erreicht; endlich in allen Fällen, wo es dem Feinde mit dem Vordringen nicht rechter Ernst ist, wird der Strom seinen Bewegungen Stillstand gebieten und eine bleibende Schutzwehr des Landes machen.
Eine unmittelbare Flußverteidigung kann also zwischen großen Truppenmassen bei großen Strömen und günstigen Bedingungen als ein sehr gutes Verteidigungsmittel angesehen werden und Resultate geben, auf die man in der neueren Zeit, nur an die verunglückten Stromverteidigungen mit unzureichenden Mitteln denkend, zu wenig Rücksicht genommen hat. Denn wenn wir bei den eben gemachten Voraussetzungen, die bei einem Strom, wie der Rhein und die Donau sind, doch leicht zutreffen können, eine wirksame Verteidigung von 24 Meilen Länge vermittelst 60000 Mann gegen eine bedeutend überlegene Macht erhält: so kann man wohl sagen, daß das ein beachtenswertes Resultat ist.
Wir sagen, gegen eine bedeutend überlegene Macht und müssen noch einmal auf diesen Punkt zurückkommen. Nach der Theorie, welche wir gegeben haben, kommt alles auf die Mittel des Übergangs und nichts auf die Macht an, welche übergehen will, sobald diese nur nicht kleiner ist als die, welche den Fluß verteidigt. Dies scheint sehr auffallend, und doch ist es wahr. Aber man muß freilich nicht vergessen, daß die meisten Flußverteidigungen, oder praktischer gesprochen, daß alle insgesamt keine absoluten Stützpunkte haben, also umgangen werden können, und daß dieses Umgehen durch eine große Übermacht sehr erleichtert wird.
Bedenkt man nun, daß eine solche unmittelbare Stromverteidigung, selbst wenn sie vom Feinde überwältigt wird, doch noch nicht einer verlornen Schlacht zu vergleichen ist und am wenigsten zu einer Niederlage führen kann, weil nur ein Teil unserer Truppen ins Gefecht gekommen ist, und der Gegner, durch den langsamen Übergang vermittelst einer Brücke aufgehalten, seinem Siege über dieselbe nicht gleich eine große Folge geben kann, so wird man von diesem Verteidigungsmittel um so weniger ganz gering denken können.
In allen Dingen des praktischen Lebens kommt es darauf an, den rechten Punkt zu treffen, und so macht es bei der Stromverteidigung einen großen Unterschied, ob man alle Verhältnisse richtig übersieht; ein anscheinend unbedeutender Umstand kann den Fall wesentlich verändern und was hier eine höchst weise und wirksame Maßregel gewesen wäre, dort zu einer [429] verderblichen Verkehrtheit machen. Diese Schwierigkeit, alles richtig zu beurteilen und nicht zu glauben, Strom sei Strom, ist hier vielleicht größer als anderswo, deshalb müssen wir
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