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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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Flankenwirkungen und die dahin gehörigen Flankenstellungen gehören auch zu den Paradepferden der Theorie, die man im Kriege nur selten gewahr wird. Nicht daß das Mittel selbst unwirksam oder illusorisch wäre, sondern weil beide Teile sich gewöhnlich gegen die Wirkungen desselben zu verwahren suchen; die Fälle aber, wo dies nicht unmöglich wäre, nur zu den seltenen gehören. In diesen seltenen nun hat denn jenes Mittel auch oft eine große Wirksamkeit gezeigt, und wegen dieser, sowie eben wegen [453] jener beständigen Rücksicht, die es im Kriege hervorruft, ist es wichtig, in der Theorie eine deutliche Vorstellung davon zu geben. Obgleich die strategische Flankenwirkung natürlich nicht bloß bei der Verteidigung, sondern auch beim Angriff denkbar ist, so ist sie doch der ersteren viel analoger und findet deshalb ihren Platz unter den Verteidigungsmitteln.
    Ehe wir in die Sache eingehen, müssen wir den einfachen Grundsatz aufstellen und dann bei der Betrachtung nie aus dem Auge verlieren, daß Kräfte, die im Rücken und in der Seite des Feindes wirken sollen, nicht vorn gegen ihn wirken können; daß es also eine ganze falsche Vorstellungsart ist, wenn man, sei es in der Taktik oder in der Strategie, das In-den-Rücken-Kommen schon an sich für etwas hält. An sich ist dies noch nichts, sondern es wird erst etwas in Beziehung zu andern Dingen, und zwar entweder etwas Vorteilhaftes oder auch etwas Nachteiliges, je nachdem diese anderen Dinge sind, auf deren Untersuchung es uns nun vorzüglich ankommt.
    Zuerst müssen wir bei der Wirkung gegen die strategische Seite zwei Gegenstände derselben unterscheiden, nämlich die Wirkung auf die bloße Verbindungslinie von der Wirkung auf die Rückzugslinie, womit denn auch eine Wirkung auf die Verbindungslinie verbunden sein kann.
    Als Daun 1758 Streifkorps absandte, um die zur Belagerung von Olmütz gehenden Zufuhren aufzuheben, wollte er dem Könige offenbar den Rückzug nach Schlesien nicht verlegen, er wollte ihn vielmehr veranlassen und würde ihm den Weg gern geöffnet haben.
    Im Feldzuge von 1812 hatten alle Streifkorps, welche im Monat September und Oktober von dem russischen Hauptheer abgingen, nur die Absicht, die Verbindung zu unterbrechen, nicht den Rückzug zu verlegen; diese letztere war aber ganz offenbar die Absicht der Moldauarmee, welche unter Tschitschagof gegen die Beresina vorrückte, sowie des Angriffs, welcher dem General Wittgenstein gegen die an der Düna stehenden französischen Korps aufgetragen wurde.
    Diese Beispiele bloß zur Klarheit der Vorstellungen.
    Die Wirkung auf die Verbindungslinien ist gegen die feindlichen Zufuhren, gegen nachrückende kleine Haufen, gegen Kuriere und Reisende, gegen kleine feindliche Depots usw. gerichtet, also gegen lauter Gegenstände, die zum kräftigen und gesunden Bestehen des feindlichen Heeres nötig sind; sie soll also den Zustand dieses Heeres auf diese Weise schwächen und dasselbe dadurch zum Rückzug veranlassen.
    Die Wirkung auf die feindliche Rückzugslinie soll dem feindlichen Heer diesen Rückzug abschneiden, sie kann diesen Zweck nur erreichen, wenn der Gegner den Rückzug wirklich beschließt; aber freilich kann sie ihn, dadurch, daß sie ihn bedroht, auch veranlassen, und also, indem sie als Demonstration wirkt, denselben Erfolg haben wie die Wirkung auf die Verbindungslinie. Alle diese Wirkungen aber können, wie schon gesagt, nicht von dem bloßen Umgehen, nicht von der bloßen geometrischen Form in der Aufstellung [454] der Streitkräfte, sondern nur von den dazu passenden Bedingungen erwartet werden.
    Um diese Bedingungen deutlicher einzusehen, wollen wir beide Flankenwirkungen ganz trennen, und zuerst die auf die Verbindungslinien gerichtete betrachten.
    Hier müssen wir zuerst zwei Hauptbedingungen aufstellen, wovon entweder die eine oder die andere vorhanden sein muß.
    Die erste ist: daß zu dieser Wirkung auf die feindliche Verbindungslinie Streitkräfte genügen, die so unbedeutend sind, daß sie in der Front kaum vermißt werden;
    die zweite: daß das feindliche Heer sich am Ende seiner Bahn befinde und also von einem neuen Sieg über das unsrige keinen Gebrauch mehr machen oder demselben, wenn es ausweicht, nicht mehr folgen könne.
    Diesen letzteren Fall, welcher keineswegs so selten ist, wie es scheinen möchte, lassen wir vorderhand liegen und beschäftigen uns mit den weiteren Bedingungen des ersten.
    Die nächste dieser Bedingungen ist, daß die feindliche Verbindungslinie

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