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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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genug, durch das Verhältnis, welches dieses gleichgewichtige Spiel der Kräfte in der ganzen Kriegführung einnimmt, durch seine Bedeutung und seinen innern Zusammenhang mit den übrigen Gegenständen gezeigt zu haben, daß es immer das Produkt der gegenseitigen beengten Verhältnisse und des sehr ermäßigten kriegerischen Elementes ist. Es kann in diesem Spiel ein Feldherr sich geschickter zeigen als der andere und daher, wenn er ihm an Kräften gewachsen ist, auch manche Vorteile über ihn gewinnen, oder wenn er schwächer ist, vermöge dieser Überlegenheit des Talentes ihm das Gleichgewicht halten; aber es ist ein starker Widerspruch gegen die Natur der Sache, hier die höchste Ehre und Größe des Feldherrn zu suchen; es ist vielmehr ein solcher Feldzug immer ein untrügliches Zeichen, daß entweder keiner der beiden Feldherren ein großes kriegerisches Talent ist oder daß der talentvolle durch seine Verhältnisse abgehalten wird, eine große Entscheidung zu wagen, wo aber das der Fall ist, da ist auch nimmermehr das Gebiet des höchsten kriegerischen Ruhmes.
    Wir haben hier von dem allgemeinen Charakter des strategischen Manövrierens gesprochen; jetzt müssen wir noch eines besonderen Einflusses gedenken, den es auf die Kriegführung hat, nämlich den, daß es die Streitkräfte häufig von den Hauptstraßen und Orten in entlegene oder wenigstens in bedeutungslose Gegenden führt. Wo kleine, augenblicklich entstehende und wieder verschwindende Interessen die Bestimmungen abgeben, da wird der Einfluß der großen Lineamente des Landes auf die Kriegführung schwächer. Wir finden daher, daß die Streitkräfte sich oft auf Punkte hinschieben, wo man sie nach den großen einfachen Bedürfnissen des Krieges nie suchen sollte, und daß folglich auch der Wechsel und die Veränderlichkeit in den Einzelheiten des kriegerischen Ganges hier noch viel größer sind als in Kriegen mit großer Entscheidung. Man sehe nur, wie in den fünf letzten Feldzügen des Siebenjährigen Krieges, trotz der sich immer gleichbleibenden Verhältnisse im großen, ein jeder Feldzug sich anders gestaltet und, genau besehen keine einzige Maßregel zweimal vorkommt, und doch ist in diesen Feldzügen noch ein viel stärkeres Angriffsprinzip von seiten der verbündeten Heere als in den meisten anderen der früheren Kriege.
    Wir haben in diesem Kapitel von der Verteidigung eines Kriegstheaters, wenn keine große Entscheidung vorliegt, nur die Bestrebungen gezeigt, welche das Handeln haben wird, den Zusammenhang, das Verhältnis, den Charakter derselben; die einzelnen darin liegenden Maßregeln sind uns schon [517] früher näher bekannt geworden. Jetzt frägt es sich, ob denn für diese verschiedenen Bestrebungen keine das Ganze umfassende Grundsätze, Regeln und Methoden anzugeben sind. Hierauf antworten wir, daß, wenn wir uns an die Geschichte halten, wir durchaus nicht durch stets wiederkehrende Formen darauf geführt werden, und doch könnte man für ein Ganzes so mannigfaltiger, veränderlicher Natur kaum ein anderes theoretisches Gesetz gelten lassen, als was in der Erfahrung seinen Ursprung hätte. Der Krieg mit großen Entscheidungen ist nicht nur viel einfacher, sondern auch viel naturgemäßer, von innern Widersprüchen freier, objektiver, durch ein Gesetz innerer Notwendigkeit gebundener; darum kann die Vernunft ihm Formen und Gesetze vorschreiben; in diesem Krieg aber scheint uns das sehr viel schwieriger. Selbst die beiden Hauptgrundsätze der erst in unseren Zeiten entstandenen Theorie der großen Kriegführung, die Breite der Basis bei Bülow und die Stellung auf der innern Linie bei Jomini, haben, wenn man sie auf die Verteidigung eines Kriegstheaters anwendet, sich in der Erfahrung nirgends als durchgreifende, wirkungsvolle Grundsätze gezeigt. Sie sollten aber als bloße Formen gerade hier sich am wirksamsten zeigen, weil Formen immer wirksamer werden, immer mehr das Übergewicht über die andern Faktoren des Produkts bekommen müssen, je mehr die Handlung sich in Zeit und Raum ausdehnt. Nichtsdestoweniger finden wir, daß sie nichts sind als einzelne Seiten des Gegenstandes, besonders aber nichts weniger als durchgreifende Vorteile. Daß die Eigentümlichkeit der Mittel und der Verhältnisse schon einen großen, alle allgemeinen Grundsätze durchschneidenden Einfluß haben müsse, ist sehr einleuchtend. Was Daun die Ausdehnung und vorsichtige Wahl der Aufstellung war, das war dem Könige die immer zusammengehaltene, dem

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